Stuttgart. Reisen bildet. Deshalb gingen Lehrlinge früher auf die sogenannte Walz: von Ort zu Ort und von Meister zu Meister, um überall etwas dazuzulernen. Heute sind eher Studenten mobil: 2020 zählte das Statistische Bundesamt 133.400 junge Deutsche, die im Ausland studierten.

Das Programm Go for Europe ist ideal für junge Leute

Auslandsprogramme für Azubis werden dagegen vergleichsweise selten genutzt. Ronja Rumold, Mechatronikerin beim Maschinenbauer Coperion in Stuttgart, kann das nicht nachvollziehen: „Das Programm Go for Europe zum Beispiel bietet tolle Auslandspraktika für Azubis an. Das ist eine einmalige Gelegenheit. Die Teilnahme ist ganz einfach und hat uns Azubis nichts gekostet!“

Der vierwöchige Aufenthalt wird von der EU bezuschusst. Den Eigenanteil übernahm Coperion. Rumold und Eberle mussten nur eine einfache Bewerbung auf Englisch schreiben. Vor und nach dem Praktikum gab es einen Sprachtest. Aber nur, um den Fortschritt festzustellen – und der war bei beiden enorm!

Video: „Das Auslandspraktikum war eine unglaublich tolle Erfahrung!“

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Jeder Aufenthalt beginnt mit einer Woche Sprachkurs. Der Kurs wird von Go for Europe organisiert, ebenso wie der Gastbetrieb, die Unterkunft und die Programmbetreuung vor Ort. Praktikarunden finden jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst statt. Mehr Infos gibt es unter: goforeurope.de

Rumold und Eberle haben inzwischen ausgelernt. Beim Besuch von aktiv bei Coperion schwärmten sie aber immer noch von dem Auslandseinsatz, der sie so bereichert hat: an Kontakten, an fachlichen und an persönlichen Eindrücken. Und auch Coperion als Arbeitgeber profitiert davon, bestätigte Ausbildungsleiter Bernhard Pichlmaier.

Was ich gelernt habe, kann ich jetzt gut einsetzen

Han Eberle (27), Industriemechaniker:

Ich mag Sommer, Sonne und Strand, deshalb bin ich nach Malta gegangen. Die Englischkenntnisse und vor allem den Fachwortschatz, den ich von dort mitgebracht habe, kann ich heute gut einsetzen, denn ich bin jetzt im Außendienst, im Service. Vor zwei Wochen erst war ich zum Beispiel in den USA.

Auf Malta habe ich in einer kleinen Reparaturwerkstatt für Jachten und Boote gearbeitet. Bei Coperion habe ich zwar nicht mit Schiffen zu tun, aber Maschine ist Maschine, die Basics sind dieselben. Für mich war es gerade interessant, mal in eine ganz andere Branche reinzuschnuppern. Mein Chef war ein sehr netter, offener und auch witziger Mensch. In seiner Werkstatt mit nur vier Mitarbeitern habe ich mich total wohlgefühlt.

Gewohnt habe ich in einer WG mit insgesamt fünf Leuten. Wir haben zusammen eingekauft, gekocht und gegessen. Natürlich habe ich einige Ausflüge gemacht, zum Beispiel ins Popeye Village, zu den Kulissen des „Popeye“-Films. Am allerschönsten war aber der St. Peter’s Pool, eine ganz kleine Felsenbucht, wo man wie die Einheimischen ins Wasser springen und baden kann.

So einen Praktikumsaufenthalt kann ich uneingeschränkt empfehlen, er wirkt noch lange nach. Mit deutschen Freunden, die ich dort kennengelernt habe, war ich inzwischen in Budapest, und in einem Monat möchten wir wieder zusammen nach Malta.

Alles war perfekt, nur viel zu schnell vorbei

Ronja Rumold (23), Mechatronikerin:

Nach Irland wollte ich schon immer mal wegen der schönen Landschaft. Mit dem irischen Akzent war es am Anfang nicht ganz einfach, aber ich bin superschnell reingekommen – auch dank meiner sehr herzlichen Gastfamilie. Auch in meinem Praktikumsbetrieb wurde ich hervorragend betreut, alle waren supernett, ich hatte auch immer einen direkten Ansprechpartner.

In meiner Gastfirma werden Autoteile gepresst. Ich war in der Instandhaltung. Meine Haupttätigkeit bestand darin, Maschinen zu warten und zu reparieren. In dieser Zeit wurde auch eine neue Maschine geliefert mit einem Steuerungsprogramm auf Deutsch! Das hat natürlich keiner verstanden – außer mir. Da konnte ich mich beim Übersetzen sehr nützlich machen. Insgesamt war es sehr interessant, mal mitzukriegen, wie es woanders in der Arbeitswelt läuft. Die Firma hat auch viele Roboter, und ich konnte lernen, wie man sie einsetzt und programmiert. Außerdem durfte ich einen kleinen Schaltschrank selbst konstruieren und bauen. Der war für eine Heizung bestimmt, die einen bestimmten Klebstoff für die Pressung erhitzt.

Ich habe schnell Leute kennengelernt, mit denen ich in der Freizeit viel unternommen habe. Das schönste Erlebnis war eine Wanderung in den Wicklow Mountains. Die Kontakte habe ich noch, erst vor zwei Wochen habe ich Freunde in Irland besucht. Es war einfach alles perfekt, nur viel zu schnell vorbei!

Vier Wochen Praktikum bringen mehr Sprachkenntnisse als ein paar Jahre Schule

Bernhard Pichlmaier, Ausbildungsleiter:

Wir sind ein Unternehmen in amerikanischer Eigentümerschaft. Unsere Extruder, Schüttgutsysteme, Dosier- und Förderanlagen werden in alle Welt geliefert. Damit produzieren unsere Kunden zum Beispiel (recycelte) Kunststoffe, Batteriemassen, Klebstoffe, aber auch Snacks und Fleischersatzprodukte. Wir sind an 30 Standorten in 17 Ländern präsent, und unsere Serviceleute sind weltweit unterwegs. Deshalb ist es uns wichtig, dass unsere Azubis gut Englisch sprechen. Da bringen vier Wochen Auslandseinsatz wahrscheinlich mehr als ein paar Jahre Unterricht an der Schule.

Neben den Sprachkenntnissen sehen wir aber auch andere Benefits: Die Erfahrung stärkt das Selbstbewusstsein und auch die Flexibilität, denn man muss sich auf andere Arbeitssituationen einstellen. Das bringt die jungen Leute auch hier im Betrieb weiter. Was uns auch sehr freut: Nach seinem Ausbildungsabschluss ist Han in den Außendienst eingestiegen, angeregt von seinem Praktikum in Malta. Grundsätzlich bieten wir allen Azubis die Möglichkeit, ein Auslandspraktikum zu machen. Wir übernehmen den Eigenanteil und helfen beim Ausfüllen der vielen Formulare. Die Teilnehmer werden von der Arbeit freigestellt, also muss keiner dafür Urlaub nehmen.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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