Die Bundesbürger trinken gern mal ein Glas Wein: Rund 20 Liter pro Kopf sind es jährlich im Schnitt, so das Deutsche Weininstitut in Mainz. Da lohnt es sich, mal näher hinzusehen und bekannte Wein-Weisheiten unter die Lupe zu nehmen. Wir haben 15 Mythen rund um den Rebensaft gecheckt.
Mythos 1: Nur Billigweine haben einen Schraubverschluss
„Das ist definitiv überholt“, sagt Ernst Büscher vom Weininstitut. Mittlerweile steckt auch auf vielen qualitativ guten Weinen ein Schraubverschluss. Mehr als 40 Prozent der in Deutschland produzierten Weine sind so abgedichtet. Ein Vorteil: Die Gefahr, dass Wein „korkt“, also den leicht muffigen Geschmack des Korkstopfens annimmt, ist gebannt. Und Weinflaschen mit Schraubverschluss können ohne Probleme stehend gelagert werden. Das ist bei Kork anders. „Flaschen mit Korkverschluss sollten liegen“, erklärt Büscher, „damit der Wein im Flaschenhals das Naturmaterial feucht halten kann: So trocknet der Korken nicht aus und die Flasche bleibt dicht.“
Mythos 2: Der Name auf dem Etikett ist der des Weinbauern
Hier kommt es aufs Detail an: Nur wenn auf dem Etikett „Gutsabfüllung“, „Schlossabfüllung“ oder „Erzeugerabfüllung“ steht, stammt der Wein tatsächlich direkt von einem Weinbauern. „In seinen Weinbergen ist die Traube gereift, wurde von ihm geerntet und gekeltert, abgefüllt und dann verkauft“, erklärt Büscher. Steht allerdings nur „Abfüller“ auf dem Etikett, wurde der Wein bei einem oder mehreren Winzern zugekauft und beispielsweise in einer Kellerei weiterverarbeitet.
Mythos 3: Verschnittweine sind gepanscht
Das Wort „Verschnitt“ hat einen harten, bösen Klang – das kann ja nichts Gutes sein, oder? Im Gegenteil! „Verschnittweine sind auf keinen Fall gepanscht, sie sind eigentlich die hohe Kunst des Kellermeisters“, sagt Experte Büscher. Dabei handelt es sich um eine Methode, unterschiedliche Weinpartien und ihre Eigenschaften so miteinander zu kombinieren, dass ein neuer Wein entsteht: Eine Arbeit für wahre Kenner – die allerdings bei uns nicht ganz so üblich ist wie zum Beispiel in Frankreich.
Mythos 4: Je mehr Sonne, desto besser für den Wein
Stimmt nicht ganz. Viel wichtiger ist der richtige Mix aus Sonne und Regen. „Die Rebe ist kein Kaktus“, sagt Büscher, „sie braucht auch Regen.“ Generell gilt aber: Während der Lesezeit, also ab September bis in den November hinein, ist Sonne besonders wichtig. In der Wachstumsphase im Frühjahr und Sommer mag es die Traube dagegen gern mal etwas feuchter. „Vielen war der diesjährige Sommer zu nass – für die Traube allerdings war er optimal“, freut sich der Experte. 2012 verspricht also, erneut ein sehr gutes Weinjahr zu werden.
Mythos 5: Weinstein ist ein Zeichen besonderer Qualität
Weinstein macht den Rebensaft weder besonders kostbar, noch ist er ein Mangel oder wirkt sich gar auf den Geschmack aus. Bei den kleinen Kristallen, die sich manchmal am Boden einer Weinflasche bilden, handelt es sich um das Kalium- oder Kalziumsalz der Weinsäure. Professor Monika Christmann, Fachgebietsleiterin Kellerwirtschaft an der Forschungsanstalt Geisenheim (bei Wiesbaden) erklärt: „Normalerweise sind diese Salze im Most gelöst. Der bei der Gärung entstehende Alkohol jedoch verringert die Löslichkeit der Salze, sie fallen als Weinstein aus“ – und setzen sich auf dem Boden der Flasche ab. Das geschieht besonders dann, wenn der Wein sehr kalt gelagert wurde.
Mythos 6: Bier auf Wein, dass lass sein – Wein auf Bier, das rat ich dir
„Mir sind keine Gründe bekannt, warum an diesem Spruch etwas dran sein könnte“, sagt Professor Ralf Kölling vom Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie der Universität Hohenheim. Dass die Reihenfolge der Getränke entscheidenden Einfluss auf den Kater am nächsten Tag haben soll, ist also ein Irrtum. Alkohol ist Alkohol, ob im Wein oder im Bier. Allerdings ist es meistens so, dass man insgesamt mehr Alkohol trinkt, wenn man die Getränke wechselt. Wer mit seinem Lieblingsgetränk startet und lange dabei bleibt, bei dem nimmt mit jedem Schluck das Verlangen ab. Ein neues Getränk bringt dagegen neuen Geschmack und einen größeren Anreiz, wieder schneller und insgesamt mehr zu trinken. Und das wirkt sich dann auch auf den Kater aus.
Mythos 7: Über Eiswein muss einmal Frost gegangen sein
Das genügt noch lange nicht, Väterchen Frost darf nicht nur mal kurz vorbeigeschaut haben. Die für Eiswein vorgesehenen Trauben müssen komplett gefroren geerntet und verarbeitet werden. Laut Weingesetz sind mindestens minus sieben Grad nötig. Bei solchen Temperaturen sehen die Trauben aus wie kleine Glasmurmeln. „In diesem Zustand werden sie dann auch abgepresst, es fließt ein hochkonzentrierter, süßer Saft ab“, erklärt Expertin Christmann. Das gefrorene Wasser bleibt in der Presse zurück. Eiswein gilt bei Kennern als einmaliges Geschmackserlebnis zwischen hoher Süße und hoher Säure.
Mythos 8: Auf den Jahrgang kommt es an
In den eher nördlichen Weinanbaugebieten, zu denen auch Deutschland gehört, kann sich der Unterschied zwischen einem kühlen und einem warmen Jahr durchaus im Geschmack des Weins bemerkbar machen: „Je nach Witterungsbedingungen sind die Trauben mal süßer, mal haben sie mehr Säure“, so Professor Christmann. Das heißt aber nicht, dass Weine aus einem eher schlechten Jahr automatisch auch schlecht sind. Denn da kommt es auf den Winzer an – von seinem Können und Wissen hängt ab, ob dem Rebensaft etwas Schmackhaftes abzugewinnen ist. Und bei einfachen Konsumweinen kann man den Jahrgang sowieso außer Acht lassen: Hier sollte er lediglich als Hinweis auf das Alter einer Flasche dienen.
Mythos 9: Rotweine werden mit zunehmendem Alter besser
Das stimmt nur zur Hälfte. „Die Regel gilt für hochwertige Rotweine“, verrät Büscher vom Weininstitut. Je qualitätsvoller ein Rotwein ist, umso konzentrierter sind seine Inhaltsstoffe. Die Gerbstoffe beispielsweise belegen bei jungen Rotweinen stark die Zunge: „Es fühlt sich an, als würde etwas Raues über die Zunge gleiten", sagt Büscher. Bei älteren Rotweinen verbinden sich die Gerbstoffe, diese chemische Reaktion lässt den Wein dann samtiger über die Zunge fließen, der Geschmack wird runder. Deshalb können hochwertige Rotweine auch nach Jahrzehnten noch ein Genuss sein. Trotzdem gilt: „Die meisten Rotweine, die bei uns im Lebensmittelhandel verkauft werden, haben zwar eine gute Qualität – sollten aber innerhalb von ein bis zwei Jahren getrunken werden.“
Mythos 10: Rotwein kann älter werden als Weißwein
Darüber entscheiden die Inhaltsstoffe. Rotweine sind generell etwas länger haltbar als Weißweine, das liegt an ihrem hohen Gerbstoffanteil. Aber auch hochwertige Weißweine wie Beerenauslesen oder Eisweine lassen sich durchaus 30 bis 40 Jahre lagern, wenn sie viel Süße, Säure und Alkohol enthalten. Mit der Zeit geht allerdings beim Weißwein die Süße zurück: „Dann ändert sich der Geschmack. Manchen erinnert er dann an reife Früchte, Honig oder Dörrpflaumen“, weiß Fachmann Büscher. Einen solchen (teuren!) Tropfen kann man gut als Aperitif vor dem Essen oder zum Dessert genießen.
Mythos 11: Salz hilft gegen Rotweinflecken
Er ist der Gau für jede weiße Tischdecke: ein Rotweinfleck. Salz soll helfen. „Aber nur dann, wenn es direkt nach dem Malheur aufgetragen wird“, rät Büscher. Trocknet der Rotwein erst einmal ein, ist ihm mit Salz nicht mehr beizubekommen. 2001 hatten Forscher der University of California in Davis mehrere Fleckentferner getestet: Sie schütteten Rotwein auf Seide, Nylon, Baumwolle und Polyester-Baumwoll-Mischungen und ließen den Wein einige Zeit einwirken. Das Bestreuen mit Salz brachte dann gar nichts mehr, Testsieger war eine Mischung aus gleichen Teilen Flüssigseife und Wasserstoffperoxyd: Das Gebräu griff die Farbpigmente des Rotweins an und löste sie auf.
Mythos 12: Rotwein muss man bei Zimmertemperatur trinken
Dieser Grundsatz ist mittlerweile überholt. Er stimmte noch, als der rote Tropfen in schlecht zu heizenden Burgsälen oder Klosterzellen getrunken wurde… Die richtige Trinktemperatur variiert von Wein zu Wein. Kenner halten sich allgemein an folgende Regel: Schweren Rotweinen kann man zwischen 16 und 18 Grad zumuten, das sind also etwa drei bis fünf Grad unter Wohnzimmertemperatur! Mit jedem Grad mehr Wärme drängt sich der Alkoholgeschmack in den Vordergrund – und die flüchtigen Aromen verfliegen. Experte Büscher verrät: „Je leichter, jünger und fruchtiger ein Wein ist, umso weniger Wärme verträgt er.“
Mythos 13: Roséwein wird aus Rot- und Weißwein gemischt
Naheliegend, aber falsch. Die rosa Färbung von Rosé und Weißherbst rührt von einem speziellen Gärverfahren her. Der Winzer vergärt dabei wie beim Rotwein das Fruchtfleisch der Trauben samt ihrer Schalen. In letzteren sitzen die meisten Farbstoffe. Aus der Maische werden die Traubenschalen dann aber frühzeitig wieder entfernt. „Je schneller dieses Abpressen verläuft, umso weniger Farbe bleibt übrig“, erklärt Professor Christmann. So entsteht der hellrote bis rosafarbene Wein. Der Schillerwein und andere Rotlinge werden allerdings tatsächlich aus einer Mischung von roten und weißen Trauben gewonnen.
Mythos 14: Rotwein muss man atmen lassen
Ein Ritual, das bei den meisten Rotweinen nicht notwendig ist. Wer die Flasche vor dem Genuss bloß öffnet, gibt dem Wein sowieso kaum eine Chance zu „atmen“: Der Flaschenhals ist viel zu eng, um genügend Luft an den Wein kommen zu lassen. „Allein das Ein- oder Umgießen führt dem Wein mehr Sauerstoff zu“, betont Fachmann Büscher. Wobei sich einfache Konsumweine durch das „Atmen“ nicht mehr verbessern lassen: Wenn überhaupt, lohnt sich das vorsichtige Umgießen in eine Karaffe bei teuren Rotweinen. Und dafür gibt es dann drei gute Gründe: Ein junger Rotwein wird durch die Sauerstoffzufuhr runder und reifer. Bei älteren Rotweinen hat sich manchmal am Flaschenboden Sediment – „Depot“ genannt – abgesetzt: Das kann durch vorsichtiges Umgießen in der Flasche zurückbehalten werden. Und manche Weine können nach dem Öffnen etwas stumpf und unharmonisch schmecken – dann hilft der Sauerstoff dem Wein, seine Blume zu entwickeln.
Mythos 15: Ein Silberlöffel in der Sektflasche bewahrt die Kohlensäure
Die Basis für jeden Sekt ist Wein – also zu guter Letzt noch einen Abstecher in Sachen Sekt! Wohl jeder kennt den Trick mit dem Silberlöffel, der die Kohlensäure in der Sektflasche halten soll. Aber: Der Trick funktioniert einfach nicht! Die beste Methode, Sekt lange prickelnd zu halten, ist, ihn wieder möglichst fest zu verschließen und in den Kühlschrank zurückzustellen. Denn was an der Silberlöffel-Theorie stimmt, ist, dass der Löffel kühle Luft schneller ins Flascheninnere leitet. Und Sekt bindet die Kohlensäure umso besser, je kälter er ist.