Saarbrücken. Als Getriebehersteller ist ZF stark von der Transformation der Auto-Industrie betroffen. Das Verbrenner-Aus bedeutet auch einen Strategiewechsel im Saarbrücker Werk mit seinen rund 9.000 Mitarbeitern. Hier investiert ZF seit 2018 800 Millionen Euro in den Bau von Hybrid-Getrieben. Über die neuen Strategien hat sich aktiv mit Werkleiter Alexander Wortberg unterhalten.

Die EU-Kommission hat dieses Jahr vorgegeben, den Verbrennungsmotor ab 2035 auslaufen zu lassen. Für das Saarland, wo mehr als 18.000 Menschen für den Verbrenner produzieren, ein Problem. Also sicher auch für ZF als Getriebehersteller?

Das ist tatsächlich ein schwieriges Thema, denn von den 18.000 Menschen, die Sie gerade genannt haben, sind viele hier bei ZF beschäftigt. Wir erleben bei der Transformation hin zur E-Mobilität derzeit eine erhebliche Beschleunigung. Vor zwei Jahren sind wir zum Beispiel noch davon ausgegangen, dass es 2030 weltweit einen Anteil komplett batterieelektrischer Fahrzeuge von 25 Prozent geben wird. Heute gehen wir davon aus, dass es 45 Prozent sein werden.

Heißt das, dass auch der Bedarf an Hybrid-Getrieben zurückgeht? In deren Herstellung haben Sie in Saarbrücken ja gerade investiert.

Vorerst gehen wir davon aus, dass sich der Hybrid-Anteil bei den Verbrennern noch erhöht. Aktuell ist jedes siebte Getriebe, das unseren Standort verlässt, ein Hybrid-Getriebe. In wenigen Jahren wird es jedes zweite Getriebe sein. Aber das ist natürlich keine dauerhafte Entwicklung, sondern ein mittelfristiger Boom. Deshalb müssen wir parallel die Transformation zur E-Mobilität vorantreiben.

„Im Bereich der E-Achse gibt es 50 Anbieter. Einige davon sind sehr, sehr gut.“

Alexander Wortberg, ZF-Werkleiter

Ist das also ein Umbruch bei Ihrem Geschäftsmodell?

Grundsätzlich ist der Weg vom Hybrid-Getriebe zur E-Achse gar nicht so weit. Wenn man die vierte Generation unseres Achtganggetriebes ansieht, die wir nun anlaufen lassen, ist das bereits sehr dicht am rein elektrifizierten Antrieb. Also ist es kein Umbruch, sondern eine Weiterentwicklung. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass Verbrenner-Getriebe weltweit ebenfalls noch lange gebraucht werden, weil sich nicht alle Märkte gleich schnell entwickeln. Und die werden auch aus Saarbrücken kommen. Wir müssen das parallel denken!

Bei den Getrieben ist ZF führend. Wie können Sie so eine Führungsposition auch in der E-Mobilität erreichen?

Wir können am Standort Saarbrücken sehr komplexe und wettbewerbsfähige Getriebe bauen. Das haben wir über Jahre bewiesen. Jetzt müssen wir dieselbe Exzellenz auch bei der Elektromobilität erreichen. Wettbewerbsfähigkeit ist dabei das Schlüsselwort! Denn im Bereich der E-Mobilität sind wir einem noch härteren Konkurrenzkampf ausgesetzt.

Können Sie diesen Punkt näher erläutern?

Gerne. Aktuell gibt es im Bereich der E-Achsen etwa 50 Anbieter. Einige davon sind sehr, sehr gut. Und sie haben ihren Sitz in Ländern, in denen Arbeit und Energie günstiger sind als hier. Genau gegen die müssen wir erfolgreich bestehen. Das können wir aber nur, wenn wir noch höhere technische Kompetenz haben und die Digitalisierung im Werk zügig vorantreiben. Und wenn wir im Verbund mit der Arbeitnehmervertretung Entscheidungen treffen, die den Standort auch auf der Kostenseite wettbewerbsfähig halten.

Das heißt: Auch die Beschäftigten müssen Abstriche machen?

Wir haben gemeinsam mit unserem Betriebsrat in unserer Standortsicherungsvereinbarung entschieden, dass wir bei Neuverträgen weniger zahlen. Das gilt für Menschen, die wir von außen einstellen, das gilt auch für Auszubildende. Das ist aus unserer Sicht ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Deutschland ist zu Recht ein Hochlohnland. Aber es ist auch wichtig, zum richtigen Zeitpunkt bescheiden zu sein. Umgekehrt werden wir dafür bis 2025 keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen.

Na ja, Sie stehen angesichts des Fachkräftemangels doch ohnehin vor der Herausforderung, Beschäftigte zu halten.

Das ist grundsätzlich schon richtig. Wir müssen die Menschen aber auch in die neue ZF-Welt mit neuen Berufs- und Beschäftigungsbildern mitnehmen. In einigen Metallberufen wird es mittelfristig bei uns keine Beschäftigung mehr geben. Deshalb haben wir jetzt Programme gestartet, bei denen Fachkräfte eine Elektronik-Qualifikation erhalten – und damit auch eine Zukunft im Werk. Aktuell sind das in einer Pilotphase rund 40 Beschäftigte pro Jahr, mittelfristig werden es noch mehr.

Wie ist denn die Resonanz auf diese Programme?

Die Nachfrage ist gut. Es liegt ja auch im Eigeninteresse der Beschäftigten, sich zu qualifizieren und neu zu orientieren. Wenn das hier am Standort bei ZF geht, ist das noch besser.