Köln. Die Bundesregierung justiert die Stellschrauben des Sozialstaats. Parallel zur Einführung des Bürgergelds sollen die Regelungen zum Wohngeld umfassend geändert werden. Ergebnis: Mehr Menschen bekommen mehr Unterstützung. Das spezielle Instrument greift nur Haushalten finanziell ergänzend unter die Arme, die bereits aus eigener Kraft einigermaßen für sich sorgen können.

Auch die untere Mittelschicht wird zukünftig profitieren

„Die Reform wird das Wohngeldsystem nachhaltig stärken“, begrüßt Ralph Henger die neuen Regeln. Er ist Experte für Wohnungspolitik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Dank höherer Einkommensgrenzen werde das Wohngeld in Zukunft auch in die untere Mittelschicht hineinwirken, prognostiziert er. „Dies ermöglicht eine zielgenaue Unterstützung einkommensschwacher Haushalte in Zeiten hoher Inflation und steigender Energiekosten.“

Ökonomen schätzen das Wohngeld seit jeher als wertvolle Ergänzung des Sozialstaats, im Zusammenspiel mit der Grundsicherung. Wohngeld wirkt als „Netz vor dem Netz“ und richtet sich als kleiner Zuschuss an Haushalte, die ihren Lebensunterhalt im Wesentlichen selbst verdienen. Damit gleicht es dem Kinderzuschlag, der übrigens parallel bezogen werden kann.

Das Wohngeld soll letztlich verhindern, dass Menschen nur wegen hoher Wohnkosten in den Grundsicherungsbezug rutschen (oder ohne diese Unterstützung nur unwesentlich bessergestellt wären als mit Grundsicherung). Zu den Zielgruppen zählen etwa Menschen mit geringen Einkommen, kleinen Renten oder Bezieher von Arbeitslosengeld I.

Hilfe für bisherige Bezieher wird fast verdoppelt

Die Berechnung der Sozialleistung, die es nur auf Antrag gibt, ist ziemlich kompliziert. Die Höhe des Wohngelds richtet sich nach der Haushaltsgröße. Zudem steigt es mit den Wohnkosten an, sinkt aber mit dem Einkommen. Außerdem gibt es Höchstbeträge, die sich nach dem örtlichen Mietniveau richten. Neben Mietern können auch Wohnungseigentümer Wohngeld beziehen.

Mit der Reform sollen sich zum Jahreswechsel vor allem drei Dinge ändern. Erstens wird eine sogenannte Heizkostenkomponente pro Quadratmeter eingeführt. Damit erhöhen sich die anerkannten Wohnkosten, auf deren Grundlage das Wohngeld berechnet wird. Zweitens werden die Einkommensgrenzen für das Wohngeld angehoben – für eine vierköpfige Familie in einer teuren Gegend zum Beispiel um rund 40 Prozent auf knapp 5.100 Euro brutto. Somit steigt die Zahl der Haushalte, die Wohngeld beziehen, von derzeit gut 600.000 auf rund zwei Millionen. Durch die neuen Höchstgrenzen steigt die Hilfe für alle Bezieher zusätzlich noch etwas an, das liegt an der Berechnungsformel. Und drittens erhöhen sich die möglichen Höchstbeträge dank einer neuen sogenannten Klimakomponente.

Das durchschnittliche Wohngeld wird 2023 voraussichtlich 210 Euro im Monat betragen, für bisherige Bezieher wird es sich von 190 Euro auf 370 Euro fast verdoppeln. IW-Ökonom Henger hält diese Erhöhungen für sinnvoll und angemessen. Das Wohngeld sei als Instrument erprobt – und gut geeignet, um einkommensschwachen Haushalten bei der Bewältigung hoher Wohnkosten zu helfen.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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