„Das eigene Wohlbefinden überbordet.“ Diese Einschätzung gab der 90-jährige Gerhart Baum kürzlich in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen“ ab. Es ging um ein Recht auf Homeoffice, eine Viertagewoche – und um die Frage, ob vor allem junge Menschen heute zu hohe Ansprüche stellen. Seine Antwort: „Ja. Wir mussten viel härter sein mit uns selbst. (…) Wir haben auf der Straße amerikanische Zigarettenkippen aufgesammelt. (…) Wenn man damals in der Bäckerei nicht rechtzeitig nach vorne kam, war das Brot aus.“

Der große Liberale, einst Innenminister unter Bundeskanzler Helmut Schmidt, hat den Aufstieg der Bundesrepublik aus den Kriegstrümmern miterlebt. Dass Wohlstand hart erarbeitet werden muss, weiß seine Generation nicht aus Büchern.

Menschen wie Baum zuzuhören, das ist wichtig in einer Zeit, in der viel über „Work-Life-Balance“ diskutiert wird – und eher wenig über Fleiß, Einsatz, Arbeitsethos. Der Zusammenhang zwischen individueller Leistung und dem Wohlstand der gesamten Gesellschaft gerät zu oft aus dem Blick.

Dabei können wir uns ein starkes Sozialsystem, reichlich Urlaub und kürzere Arbeitszeiten als andere Industriestaaten nur leisten, wenn alle kräftig anpacken. Gerade für die jüngeren Generationen hängt viel davon ab. Denn wenn der Wohlstand den Bach runtergeht, ist es mit dem eigenen Wohlbefinden auch nicht mehr weit her.