Hannover. Die Situation in der niedersächsischen Metall- und Elektro-Industrie (M+E) kennt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, wie kaum ein anderer. aktiv sprach mit ihm über hohe Erwartungen in ausgesprochen schwierigen Zeiten.

Herr Dr. Schmidt, am 20. Januar setzen Sie die Tarifverhandlungen fort. Wie ist Ihr Eindruck?

Auch wenn wir in den Antworten auf die aktuelle Krise noch weit auseinanderliegen, habe ich den Eindruck, dass die IG Metall den Ernst der Lage weitestgehend erkannt hat. Wir stehen vor einer außergewöhnlich schwierigen und für die Branche extrem wichtigen Tarifrunde. Wir als Tarifpartner haben eine sehr große Verantwortung. Wir brauchen Stabilität und keine weiteren Kostenbelastungen. Der Verteilungsspielraum ist in diesem Jahr gleich null. Es wird erst etwas zu verteilen geben, wenn der Einbruch überwunden und wenigstens das Vorkrisenniveau 2018 wieder erreicht ist. Denn sonst laufen wir Gefahr, die Branche vor die Wand zu fahren!

Mehr zum Thema

Metall- und Elektro-Industrie: Die Betriebe müssen in Maschinen und Anlagen investieren, trotz rückläufiger Umsatz- und Auftragszahlen.
Tarifrunde in der Metall- und Elektro-Industrie

Niedersachsens Betriebe leiden unter Auftragsrückgang

mehr

Sie sind im ständigen Kontakt mit den Betrieben. Wie geht es der niedersächsischen M+E-Industrie?

Die Situation war schon vor Corona sehr kritisch. Und sie hat sich durch die Corona-Pandemie noch einmal dramatisch verschärft. Der Einbruch der Wirtschaft war im letzten Jahr von historischem Ausmaß. Über 80 Prozent unserer Betriebe haben 2020 einen Nachfrageeinbruch erlitten. Das zeigt, wie sehr ein Großteil der Metall- und Elektro-Industrie jetzt schon auf dem Zahnfleisch geht. Im zweiten Quartal 2020 war die M+E-Produktion so niedrig wie während der Finanzkrise 2009, und die Branche verzeichnete 2020 bundesweit ein historisch schlechtes erstes Halbjahr mit einem Umsatzrückgang von 14,2 Prozent und minus 17 Prozent bei den Aufträgen.

Worauf kommt es in der Tarifrunde an?

Wir müssen eine tarifpolitische Antwort finden auf die schwerste Wirtschaftskrise in der Geschichte unseres Landes im Zuge der Pandemiebekämpfung. Und wir müssen tarifpolitische Antworten finden auf den Scherbenhaufen, den uns die Politik in Berlin und in Brüssel mit ihrem ideologisch motivierten Kampf gegen die deutsche Automobil-Industrie, gegen die Verbrennertechnologie tagtäglich vor die Tür legt. Denn 62 Prozent der Industriearbeitsplätze in Niedersachsen hängen am Auto. Das sind die schlichten Tatsachen. Als Tarifvertragsparteien müssen wir jetzt den Beweis antreten, dass wir in der Lage sind, gemeinsam konstruktive Antworten auf die größten Herausforderungen zu geben, denen sich die norddeutsche Industrie seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland gegenübersieht.

Worauf setzen Sie den Schwerpunkt bei den Verhandlungen?

Beschäftigungssicherung hat für uns hohe Priorität, aber nur der wirtschaftliche Erfolg sichert Arbeitsplätze auf Dauer. Daher müssen wir im Strukturwandel künftige Wettbewerbsfähigkeit auf- und ausbauen. Wir müssen den Karren jetzt gemeinsam aus dem Dreck ziehen.

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

Alle Beiträge des Autors