Groß Berkel. Letztes Jahr war Sarah Henneke in Neuseeland und hat auf einer Farm gearbeitet. „Dort ist mir klar geworden, dass ich gern in einem Unternehmen arbeiten möchte, das international tätig ist.“ Nun fing die 20-Jährige ein duales Studium beim Automatisierungs-Spezialisten Lenze in der Nähe von Hameln an. Sie will Wirtschaftsingenieurin werden. Zum Start bekam sie vom Unternehmen einen Rucksack und ein Laptop – wie alle Auszubildenden.

Ausbildungsbeginn in Zeiten der Krise: Corona hat die Firmen der Metall- und Elektro-Industrie noch fest im Griff. Die meisten Betriebe produzieren nur eingeschränkt, viele müssen ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken. Dennoch halten zwei Drittel der Unternehmen am geplanten Umfang der Ausbildung für das neue Lehrjahr fest. Auch Lenze in Groß Berkel.

„Es geht nicht nur darum, Wissen zu transportieren“

„Corona beeinflusst die Ausbildungszahlen bei uns nicht“, sagt Ausbildungsleiter Thomas Czekanowski beim Besuch von aktiv. „Wir brauchen den Nachwuchs.“

23 junge Leute haben im August eine Ausbildung am Stammsitz begonnen, in der Firmengruppe sind es 40 Azubis. Insgesamt lernen bei Lenze 90 Jugendliche einen Beruf. Alle „Neuen“ bekamen einen Rucksack und ein Laptop. Die Botschaft: Mobil und digital sein – das sind zwei wichtige Voraussetzungen für einen Beruf in der Metall- und Elektro-Industrie. Gerade jetzt, da Corona so viel verändert hat.

Auch für Ausbildungsleiter Czekanowski (40) und seine vier Ausbilderkollegen ist das eine zusätzliche Herausforderung. „Homeschooling und Homeoffice sind wichtig, dennoch darf der persönliche Kontakt nicht verloren gehen“, sagt Czekanowski. „Ausbildung lebt vom Miteinander. Es geht nicht nur darum, Wissen zu transportieren.“ Ebenso wichtig sei es, Werte zu vermitteln und Erfahrungen zu ermöglichen.

Lehrerstudium zu theoretisch, Beruf mit Praxis gewünscht

„Wenn ich mit den Auszubildenden skype, sehe ich zwar die Gesichter auf dem Bildschirm. Ich spüre allerdings nur bedingt, wie es ihnen emotional geht.“ Czekanowski sieht da eine hohe Verantwortung des Arbeitgebers gegenüber den jungen Leuten. „Die Corona-Krise sorgt bei vielen jungen Menschen für Ängste und Verunsicherung. Wichtig ist, dass wir als Arbeitgeber da Orientierungshilfe geben.“

Und was treibt die Neuen an? Jannes Lange wollte ursprünglich Lehrer werden. Doch das Studium war ihm zu theoretisch. „Ich brauche die Praxis“, erzählt der 23-Jährige. Bei Lenze studiert er nun digitale Logistik, jeweils abwechselnd drei Monate im Betrieb und drei Monate im Hörsaal.

Erik Hantscho (21) geht den Beruf mit System an. Er hat bereits eine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme bei Lenze gemacht. Nach dem Fachabi startet er nun mit einem dualen Studium der Elektrotechnik.

Und Freja Böger (22) beginnt eine Ausbildung zur Industriekauffrau. „Mir war eine große Firma wichtig, die mir auch eine Übernahmechance bietet“, erzählt sie. Nun sei sie hier bei „einem Top-Ausbilder“ in der Region. „Das ist doch cool.“

Betriebe stehen zur Ausbildung

  • Lehre geht meist weiter. Bei 92 Prozent der Unternehmen hat die Krise keine Auswirkungen auf bestehende Ausbildungsverhältnisse. 3 Prozent der Betriebe schickten Azubis in Kurzarbeit, lediglich 2 Prozent beendeten die Lehre. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall.
  • Übernahme noch nicht sicher. 43 Prozent der Firmen wollen alle fertig Ausgebildeten weiterbeschäftigen, 26 Prozent zumindest einen Teil. Ein Viertel der Unternehmen hat noch nicht entschieden, wie es für die Absolventen weitergeht.

Ausbildungs-Power

Die Metall- und Elektro-Betriebe engagieren sich.

  • 200.000 junge Leute bildete die Branche 2019 aus.
  • 4 Milliarden Euro investiert sie dafür jährlich.
  • 1.047 Euro erhält ein Mechatroniker-Azubi in Westdeutschland.
Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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