Berlin. Die neue Brille, die Zahnspange für den Nachwuchs und andere Krankheitskosten, Unterhaltszahlungen, Prozesskosten … Solche und weitere Aufwendungen kann man zwar nicht vermeiden, aber häufig als „außergewöhnliche Belastungen“ von der Steuer absetzen. Gute Nachrichten! Und zwar reichen jetzt schon geringere Ausgaben, damit das klappt. Der Bundesfinanzhof (BFH-Urteil VI R 75/14 vom 19. Januar 2017) hat nämlich entschieden, dass die Finanzämter bislang falsch gerechnet haben!

Die neue Berechnungsmethode

Außergewöhnliche Belastungen wurden noch nie zu 100 Prozent anerkannt – sondern man musste schon immer einen gewissen Eigenanteil selbst tragen, die „zumutbare Belastung“. Wie viel, das hängt zum einen vom Familienstand, zum anderen vom Einkommen ab. Ein Geringverdiener mit drei Kindern hat also einen niedrigeren Eigenanteil als ein Single mit Top-Gehalt. Die entsprechenden Prozentwerte sind im Einkommensteuergesetz genau geregelt. Dabei haben sich die Finanzämter nach der folgenden Tabelle zu richten:

Zumutbare Belastungen laut §33 EStG (Stand 2017)

 Jahreseinkünfte in Euro  
 bis 15.340bis 51.130über 51.130
ohne Kind, ledig5 %6 %7 %
ohne Kind, verheiratet4 %5 %6 %
1 oder 2 Kinder (egal, ob verheiratet oder nicht)2 %3 %4 %
mehr als 2 Kinder (egal, ob verheiratet oder nicht)1 %1 %2 %

Berechnungsgrundlage ist dabei immer der sogenannte „Gesamtbetrag der Einkünfte“, den man im Steuerbescheid findet. Bislang wurden die jeweiligen Prozentwerte auf das gesamte Einkommen angewandt. Nach der alten Methode musste also beispielsweise ein kinderloser Single mit einem „Gesamtbetrag der Einkünfte“ von 60.000 Euro pro Jahr 7 Prozent, folglich 4.200 Euro Eigenanteil tragen. Erst wenn seine außergewöhnlichen Belastungen höher waren, konnte er sie von der Steuer absetzen. Das ist aber zu viel, befand das Gericht. Es hat entschieden, dass die zumutbare Belastung stufenweise berechnet werden muss. Nach der neuen Methode rechnet das Finanzamt jetzt:

  • 5 % auf die ersten 15.340 Euro = 767 Euro
  • 6 % auf das Einkommen zwischen 15.340 Euro und 51.130 Euro = 2.147,40 Euro
  • 7 % auf den Rest von 8.870 Euro = 620,90 Euro

Insgesamt zahlt der Single also nach der neuen Rechnung statt 4.200 nur noch 3.535,30 Euro Eigenanteil. Alles was darüber hinausgeht, kann er dem Finanzamt als außergewöhnliche Belastungen aufs Auge drücken. Wer jetzt seine Steuererklärung fertig macht, sollte also genau nachrechnen, ob seine Kosten diese geringere Grenze schon erreichen.

Steuerbescheide prüfen

„Grundsätzlich werden die Finanzverwaltungen ihre Systeme auf die neue Berechnungsmethode umstellen. Allerdings ist unklar, zu welchem Stichtag dies geschieht“, sagt Isabel Klocke, Abteilungsleiterin Steuerrecht und Steuerpolitik vom Bund der Steuerzahler. Speziell bei neueren Steuerbescheiden ist also oft unklar, ob das Finanzamt noch das alte oder schon das neue Verfahren eingesetzt hat.

Ist die Sache eindeutig, kann man natürlich Widerspruch einlegen und verlangen, dass das Amt die neue Methode anwendet. Wichtig: Der ganze Aufwand macht nur Sinn, solange die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist. In der Regel beträgt diese Frist einen Monat plus drei Tage (für die Postlaufzeit) ab Datum des Bescheids. „Ist der Steuerbescheid schon bestandskräftig, kann der Steuerzahler in der Regel nichts mehr machen“, sagt Klocke.

Check mit dem Onlinerechner

Um die Berechnung des Amts zu checken, braucht man nur den „Gesamtbetrag der Einkünfte“ aus dem Steuerbescheid. Diese Zahl gibt man in den offiziellen Rechner des Landesamts für Steuern Niedersachsen ein: lstn.niedersachsen.de

Hat das Finanzamt genau diesen Betrag im Steuerbescheid auch als „zumutbare Belastung“ angesetzt, wurde bereits die neue Rechenmethode angewendet. Wurde mehr abgezogen, höchstwahrscheinlich noch die alte.

„Bei Unklarheiten kann man den Steuerberater oder direkt beim Finanzamt nachfragen, welche Berechnungsmethode angewandt wurde“, sagt Klocke. Oder man schickt ein formloses Schreiben mit folgendem Wortlaut:

„Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit bitte ich um Überprüfung, ob die Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung nach den neuen Vorschriften laut BMF-Schreiben vom 1. Juni 2017 durchgeführt wurde.“

Dann prüft das Finanzamt die Angelegenheit und korrigiert gegebenenfalls den Steuerbescheid.