Daniel Stark (48) und John-Philipp Reichwagen (27) unterbrechen für einen Moment ihre Arbeit und blicken auf eine großformatige Bauzeichnung. Sie stellt eine rund sechs Meter lange Stahlkonstruktion dar, die mit zwei parallelen Bögen wie ein Brückenelement wirkt.

Aber der Eindruck täuscht, es ist keine Brücke, sondern eine Rutsche. Genauer gesagt: eine Wildwasserrutsche. Auf dieser werden künftig Besucher eines Freizeitparks in Südkorea aus 18 Meter Höhe in die Tiefe rauschen.

„Bei einem so anspruchsvollen Projekt sehen wir uns die Zeichnung lieber einmal zu viel als einmal zu wenig an“, sagt Stark. Er und sein junger Kollege John-Philipp gehören seit einigen Monaten zum Team in der Fertigung der Firma Hallen- und Anlagenbau (HAB) in Wusterhusen bei Greifswald. In den vergangenen anderthalb Jahren ist die Mannschaft in den HAB-Werkhallen von einem Dutzend auf über 30 Mitarbeiter angewachsen. Das ist fast die Hälfte der gesamten Belegschaft in dem familiengeführten Unternehmen.

6,5 Millionen Euro investiert

Geschäftsführer Andreas Pörsch begründet den Zuwachs mit „einem kräftigen Investitionsschub und einer neu justierten Marktstrategie“. Zuletzt wurden insgesamt 6,5 Millionen Euro in neue Hallen und Gebäude sowie in hochleistungsfähige Maschinen investiert.

„Bislang haben wir gut 75 Prozent unserer Wertschöpfung im traditionellen Industrie- und Gewerbebau realisiert“, sagt Pörsch. „Jetzt wollen wir uns noch breiter aufstellen.“

Kern des mittelfristigen Fahrplans ist es, in der Stahlbaufertigung auch sehr speziellen Kundenansprüchen gerecht werden zu können. Diese sind vor allem im touristischen Anlagenbau hoch, weiß René Schmidt, der als Bereichsleiter in der Produktion tätig ist.

Europas steilste Wasserrutsche

Mit dem ersten Bau einer Wildwasserrutsche für den Safaripark Knuthenborg in Dänemark habe das Unternehmen in diesem Segment vor einigen Jahren den internationalen Einstieg geschafft. Die Konstruktion ist nach Angaben des Parks die steilste Wasserrutsche Europas.

Das Erfolgsgeheimnis der Firma Hallen- und Anlagenbau ist Vielseitigkeit

Weitere Aufträge dieser Art ließen nicht lange auf sich warten. Neben der Rutsche für Südkorea entstehen bei HAB nun unter anderem die Stahlkonstruktion für ein kugelförmiges Kino, bestimmt für die Vereinigten Arabischen Emirate, und eine spektakuläre Wartungsplattform für ein 115 Meter hohes Riesenrad in Moskau.

Tauchgondel für Ostseebäder

Außerdem gibt es erneut Kundeninteresse für die legendäre Tauchgondel von HAB, die in der Firma als „Mutter alle touristischen Anlagen“ gilt. Die weltweit patentierte Vorrichtung ermöglicht es bereits seit Langem Einheimischen und Gästen in den Ostseebädern Zinnowitz, Zingst, Grömitz und Sellin, „im Meer auf Tauchstation“ zu gehen.

Um kompliziert strukturierte Stahlbauteile für einzigartige Projekte wirtschaftlich fertigen zu können, braucht es hochproduktive und flexible Bearbeitungsmaschinen. Eine solche steht seit geraumer Zeit in der mit 3.000 Quadratmeter Fläche größten Werkhalle von HAB und trägt den eindrucksvollen Namen „PythonX“.

Computergestützte Bearbeitungsmaschinen

„Es handelt sich um ein Roboter-CNC-Plasmaschneidesystem“, sagt Geschäftsführer Pörsch und hält ein frisch bearbeitetes T-Profil hoch, in das zahlreiche Löcher, Schlitze, Nuten und Schrägschnitte eingearbeitet wurden. Bediener Sebastian Göritz (35) überwacht vom Steuerpult aus den gesamten computergestützten Bearbeitungsprozess.

Ein mit seinem Namen versehenes Zertifikat hängt unweit des Arbeitsplatzes an der Hallenwand. Es bestätigt seine Qualifizierung für das Bedienen dieser Anlage, die das Bearbeiten von Stahlträgern erheblich vereinfacht.

Stahlblech-Zuschnitt per Laser

In einer benachbarten Halle hantiert Mathias Reise (22) an einem in heller Farbe gehaltenen zweiteiligen Bearbeitungszentrum. „Das riecht noch, so neu ist es“, beschreibt Pörsch salopp die jüngste Anschaffung für die Produktion.

In zwei Arbeitsprozessen werden Stahlbleche per Laser zugeschnitten und auf der rechnergestützten Kantbank mit einem Druck von maximal 320 Tonnen zwei- und dreidimensional in Form gebracht.

Hightech und klassische Messgeräte

Auf einer kleinen Arbeitsfläche an der Anlage finden sich überraschend ein Metalllineal und ein Winkelmesser. Zur Kontrolle werde auch mal auf konventionelle Messgeräte zurückgegriffen, klärt Mathias Reise auf.

Anfang Mai habe er das Bearbeitungszentrum übernommen, „was ein enormer Vertrauensbeweis des Unternehmens ist“. Ein Strahlen huscht über das Gesicht des jungen Maschinenbedieners.

Hochleistungsfähiger Schweißroboter

Verantwortung früh zu übertragen, bedeutet für Andreas Pörsch, den Erfolg des Unternehmens langfristig sicherzustellen. „Motivierte junge Menschen ermutigen auch mich, immer wieder neue geschäftliche Herausforderungen anzugehen und in die Zukunft zu investieren.“

In Kürze wird ein hochleistungsfähiger Schweißroboter den Maschinenpark komplettieren. Die Bedienung der CNC-Anlage soll Dennis Breitenfeld (23) übernehmen. Er ist im ersten Gesellenjahr und zählte in der Lehrzeit zu den besten Azubis des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Gegenwärtig arbeitet er mit an der Wildwasserrutsche für Südkorea.

Spezialcontainer für Atommüll-Lagerung

In nächster Zukunft peilt Geschäftsführer Pörsch ein Umsatzwachstum von jährlich gut 20 Prozent an. Unternehmensstrategisch sind die Pflöcke eingeschlagen. Auch die breite Palette von Auftraggebern lässt den 57-Jährigen zuversichtlich vorausblicken.

So werden Maschinenhausgestelle für Liebherr-Hafenmobilkrane geliefert, in Gabelstaplern von Still sind Bauteile aus Wusterhusen verarbeitet, und im niedersächsischen Schacht Konrad lagert künftig schwach radioaktiver Abfall in Spezialcontainern made by HAB.