Technisches Zeichnen hat stellenweise was von Weihnachtsbäckerei. Klingt komisch? Stephanie Reinhard, Konstrukteurin bei Feintool, erklärt: „Unter anderem muss ich Abläufe so planen, dass sich aus einem Metallband möglichst viele Teile präzise schneiden lassen. Das ist ähnlich wie beim Plätzchenbacken: Die steche ich so aus, dass ich möglichst wenig Teigrest habe.“

Beim Feinschneiden ist es noch viel wichtiger, das Material optimal auszunutzen: Teigreste kann man wieder zu einer Kugel kneten und auswellen. Oder einfach naschen. Das geht mit Metall freilich nicht.

Auch privat übernimmt sie alles, was gut durchdacht und getaktet sein muss

Für jedes Teil entwerfen die Konstrukteure in Ettlingen das richtige Werkzeug (den Plätzchen-Ausstecher). Wie das genau aussieht, hängt davon ab, was der Kunde braucht. Das können Teile für Motoren und Getriebe sein, Steckzungen für Sicherheitsgurte oder Hebel zum Verstellen von Autositzen.

Kringel mit einem Loch in der Mitte stellt der Hobbybäcker üblicherweise in zwei Arbeitsschritten her. Bei Feintool geht das oft in einem, selbst bei weit komplexeren Formen mit mehreren Löchern oder Zapfen.

Dafür müssen die Werkzeuge sorgfältig geplant und die Abläufe exakt getaktet werden. Und genau das ist Reinhards Ding. Auch zu Hause ist sie für alles zuständig, was von Anfang bis Ende, Schritt für Schritt durchdacht sein will – sei es ein neues Gartenprojekt oder die Route für den Wohnmobilurlaub.

Die Zusammenarbeit mit den Kollegen ist sehr entspannt

Außerdem ist ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen wichtig – eine Eigenschaft, die man gemeinhin eher Männern zuschreibt. Dass sie in einer klassischen Männerdomäne gelandet ist, findet sie gut: „Männer sind direkt, deshalb geht es etwas rauer zu. Aber ohne Getuschel hintenrum. Das macht die Zusammenarbeit entspannt.“

Immerhin ist sie seit 30 Jahren dabeigeblieben. Seitdem hat sich viel verändert. Ihre Ausbildung zur technischen Zeichnerin bei Siemens hat sie noch mit Zirkel und Bleistift absolviert. Heute arbeiten die Konstrukteure mit 3-D-Programmen. Trotzdem macht sie bei Bedarf immer noch Freihandzeichnungen: zum Beispiel wenn sie einem Kollegen schnell etwas erklären will.

Ihre Liebe zum Zeichnen hat Stephanie Reinhard in der Realschule entdeckt. „Im technischen Werken haben wir technische Zeichnungen für Maschinenbau und Architektur durchgenommen. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass für mich feststand: Ich möchte was mit Zeichnungen machen.“

Der Job wird nie langweilig: Es gibt immer was zu prüfen und zu verändern

Die Begeisterung hält bis heute an: „Das schönste Erlebnis für mich war, als ich zum ersten Mal ein fertiges Teil in den Händen hielt und wusste: Dafür habe ich das Schneidwerkzeug geplant. Keine abstrakte Sache, sondern ein Produkt, das man tatsächlich anfassen kann. Da habe ich gedacht: Hey, wie toll ist das denn!“

Die Anforderungen an die Werkzeuge sind hoch: Die Toleranzen liegen zum Teil im Mikrometer-Bereich (0,001 Millimeter!). Damit die Teile in Serie produziert werden können, ohne Nacharbeiten der Konturen, müssen die Schnittflächen und Kanten absolut sauber und glatt sein. Das Feinschneiden übernimmt Feintool selbst für die Kunden, auf eigenen Maschinen am Standort in Ettlingen. Dort arbeiten 57 von insgesamt rund 2.200 Mitarbeitern in fünf Ländern.

Der Job wird nicht langweilig: Mal geht es darum, alte Zeichnungen zu prüfen, mal meldet der Werkzeugtechnologe aus der Werkstatt, dass noch was geändert oder verbessert werden muss. In 30 Jahren im Beruf sind eine Menge Erfahrung und Wissen zusammengekommen. Die gibt Stephanie Reinhard gern weiter: Zweimal hat sie schon Azubis in der Firma betreut, und sie ist ehrenamtlich im Prüfungsausschuss der IHK für technische Produktdesigner. Überhaupt sei sie ein positiver Mensch – auch jetzt, in der Krise: „Jammern hilft nicht, man muss optimistisch bleiben!“ Sie sei zuversichtlich, dass es bald wieder aufwärtsgeht.

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

In der Realschule war im Werkunterricht auch technisches Zeichnen ein Thema. Da war mir klar: Das will ich machen.

Was reizt Sie am meisten?

Probleme für die Kunden zu lösen und am Ende ein Ergebnis zu haben, das man in die Hand nehmen kann.

Worauf kommt es an?

Bei der Arbeit gut durchstrukturiert zu sein. Und wenn man mal im Jammermodus ist: das Positive im Blick zu haben.

 

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

Alle Beiträge der Autorin