Jenseits der Personalabteilungen ist das sperrige Wort „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ eher unüblich: Vom „gelben Schein“ spricht der Volksmund, oder auch einfach von der Krankschreibung. Dass man diese im Betrieb abgibt, wenn man wegen einer Krankheit mal nicht zur Arbeit gehen kann – klare Sache. Aber dann gibt es da ja noch den Durchschlag für die Krankenkasse, auf dem mahnende Worte stehen: „Bei verspäteter Vorlage droht Krankengeldverlust!“

„Durchschlag der Krankschreibung innerhalb von einer Woche einreichen“

Und das ist tatsächlich so. „Jede und jeder Versicherte sollte den Durchschlag innerhalb einer Woche bei seiner Krankenkasse einreichen. Nur so können mögliche Ansprüche auf eine Krankengeldzahlung gewahrt werden“, erklärt Magdalena Thauern. Sie ist Expertin fürs Thema Krankengeld bei der Barmer, der mit 7,2 Millionen Mitgliedern zweitgrößten Kasse im Lande. „Wir bieten unseren Versicherten übrigens die Möglichkeit, eine Krankschreibung direkt über unsere App hochzuladen.“ Ab Oktober 2021 soll man sich das aber sparen können – dank der Digitalisierung des Gesundheitswesens: Dann kommt die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, kurz AU-Bescheinigung (mehr dazu unten).

Aber warum sollte man bis dahin zwei Zettel abliefern, einen in der Firma und einen bei der Kasse?

Die medizinische Diagnose auf der Krankschreibung geht den Betrieb nichts an – die Krankenkasse aber schon

Das liegt an einem wichtigen Unterschied: Auf dem gelben Schein für die Firma ist keine Diagnose vermerkt – es geht den Chef ja nichts an, welche Krankheit man hat. Auf dem Durchschlag für die Kasse ist die Krankheit aber angegeben, wenn auch in einer für den Laien unverständlichen Codierung.

Verwendet wird das internationale Klassifikationssystem ICD-10 beziehungsweise dessen „German Modification“. Wobei man schnell herausfinden kann, was hinter Kürzeln wie „J03.9“ steckt: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat die ICD-10-Liste ins Netz gestellt (mehr dazu auf www.dimdi.de). Für „J03.9“ findet man da „Akute Tonsillitis“, also eine Mandelentzündung.

Die Lohnfortzahlung endet meistens nach sechs Wochen – das hängt aber von der Diagnose auf der Krankschreibung ab

Wichtig wird die Diagnose, wenn jemand mehrmals oder länger krank wird. Die Lohnfortzahlung der Firma endet nach den ersten sechs Wochen, danach gibt es Krankengeld  von der Kasse – und damit in der Regel weniger Geld. 

„Wenn jemand beispielsweise innerhalb von sechs Monaten zweimal vier Wochen lang wegen eines Bandscheibenleidens fehlt, erhält sie oder er für die letzten zwei Wochen Krankengeld“, sagt Thauern. „Fehlt sie oder er aber zuerst vier Wochen aufgrund eines Rückenleidens und anschließend vier Wochen wegen eines Magengeschwürs, muss die Firma für alle acht Wochen das Entgelt weiterzahlen.“ Das ist im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt, es enthält die detaillierten Fristen für die Anrechnung.

Im Zweifel wird der Arbeitgeber also bei der Kasse nachfragen, ob der Mitarbeiter nun wegen der gleichen Krankheit mehr als sechs Wochen ausgefallen ist oder eben nicht. „Eine entsprechende Antwort an den Betrieb ist nur möglich, wenn uns alle Krankmeldungen vorliegen“, sagt Thauern.

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Wer neu im Job ist, sollte bei einer Krankschreibung besonders schnell reagieren

Besonders wichtig ist das schnelle Einreichen des gelben Scheins für Menschen, die gerade einen neuen Job angetreten haben: In den ersten vier Wochen eines Arbeitsverhältnisses muss die Firma nämlich das Gehalt nicht weiterzahlen, wenn man krank wird – auch das steht im Entgeltfortzahlungsgesetz. Die Betroffenen können daher sofort Krankengeld erhalten.
 
Eile ist aber auch für all diejenigen geboten, die am Ende eines Jobs krank werden. Sie können nämlich nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses Krankengeld bekommen. Aber ein an sich recht gesunder Mitarbeiter, der mal zwei Tage wegen einer Erkältung ausfällt und dann Monate später mal eine Woche wegen einer Grippe? Auch der sollte alle Krankmeldungen sofort seiner Krankenkasse zur Verfügung stellen. Schließlich kann man niemals wissen, was in der Zukunft passiert, wie die Expertin betont.

Im Oktober 2021 kommt die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – aber erstmal nur teilweise

Übrigens: „Ab dem 1. Oktober 2021 muss die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr vom Versicherten selbst an die Krankenkasse gesandt werden: Das übernimmt dann die Arztpraxis direkt auf digitalem Weg“, sagt Thauern. Das Risiko des Krankengeldverlusts entfällt damit. „Dieses digitale Verfahren wird von uns bereits seit 2019 im Rahmen eines Pilotprojektes getestet.“

Allerdings muss man dann die Krankschreibung trotzdem immer noch ganz klassisch der Firma (oder der Arbeitsagentur) melden. Das ändert sich erst nächstes Jahr, wie die Expertin weiß: Ab Juli 2022 bekommen die Betriebe und die Arbeitsagenturen die AU-Zeiten ebenfalls digital übermittelt.

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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