Wiesbaden. Nach Beginn der Corona-Pandemie waren steigende Preise kein großes Thema mehr. Im zweiten Halbjahr 2020 lag die Inflation sogar unter null, was vor allem (aber nicht nur) an der kräftig gesenkten Mehrwertsteuer lag.

Seit Januar aber dreht die Teuerung rasant auf: 1 Prozent – 1,3 Prozent – 1,7 Prozent – 2,0 Prozent – schließlich 2,5 Prozent im Mai, Tendenz: weiter steigend. Ökonomen halten es für wahrscheinlich, dass die deutsche Inflationsrate bald eine Drei vor dem Komma haben wird, wenn auch nur für ein paar Monate.

Was ist denn da los? Müssen wir uns plötzlich Sorgen um die Kaufkraft des Euro machen? Nicht wirklich. aktiv erklärt wichtige Zusammenhänge – die ausgerechnet an der Tanke geballt wirksam werden.

Das Auf und Ab bei der Mehrwertsteuer verzerrt jetzt den jährlichen Preisvergleich

  • Mehrwertsteuer: Von Juli bis Dezember 2020 galten niedrigere Mehrwertsteuersätze, das sollte den Konsum in der Krise ankurbeln. Nicht wenige Unternehmen haben ihre Preise zunächst entsprechend reduziert – und dann zum Jahreswechsel wieder angehoben. Eine Unternehmensstudie der Bundesbank stellt nun fest, dass sich diese „Preisanpassungen im Juli 2020 und Januar 2021 weitgehend aufhoben, sodass die temporäre Mehrwertsteuersenkung keine dauerhaften Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau hat“. Was also eigentlich keine Folgen für die Preise hat, wirkt jetzt trotzdem in der Inflationsrate – und das zweimal: Im Januar 2021 brachte die höhere Mehrwertsteuer im Vergleich zum Dezember 2020 höhere Preise. Und von Juli bis Dezember 2021 wird die Inflation dadurch höher sein, dass die Endpreise im Jahresvergleich teurer sind als 2020 – weil damals ja der niedrigere Steuersatz galt.
  • Klimaschutz: Seit Anfang des Jahres schlägt die CO2-Bepreisung in den Bereichen Verkehr und Wärme auf Privatleute durch (hier finden Sie den ausführlichen aktiv-Bericht zur CO2-Bepreisung). Nach Berechnung des Sachverständigenrats dürfte allein dieser Reformschritt die aktuellen Verbraucherpreise um etwa 1 Prozent erhöht haben. Und dabei wird es nicht bleiben: Der CO2-Ausstoß wird künftig Jahr für Jahr teurer. Wie stark wir das dann im Geldbeutel spüren werden, hängt natürlich auch von unserem ganz persönlichen Verhalten beim Energieverbrauch ab – ob es ums Tanken geht oder ums Heizen.
  • Ölpreis: Im Frühjahr vergangenen Jahres schmierten die Ölnotierungen krisenbedingt um über die Hälfte ab, das schwarze Gold war extrem billig zu haben. Seitdem ist Öl wieder stetig teurer geworden: Im Mai lag der Barrel-Preis wieder auf dem Niveau von 2019. Damit ist Öl übrigens immer noch günstiger als im Zeitraum 2011 bis 2013! Ganz ähnlich wie bei der Mehrwertsteuersenkung hat sich also eigentlich nicht viel verändert – aber das Auf und Ab führt zu entsprechenden Sprüngen der Inflationsrate: Sie zeigt ja stets die durchschnittliche Veränderung zum gleichen Monat des Vorjahres auf.
  • Vorprodukte:Mikrochips hier, Kupfer dort, sogar Holz – wichtige Vorprodukte und Rohmaterialien sind knapp, weil die Wirtschaft weltweit wieder Fahrt aufnimmt. Von Engpässen berichteten im April 45 Prozent der vom Ifo-Institut befragten Industriefirmen – so viele wie seit 30 Jahren nicht mehr! Knappe und damit teurere Vorprodukte dürften letztlich zu steigenden Verbraucherpreisen beitragen.

Neben dem Hin und Her bei Mehrwertsteuer und Ölpreis gibt es also auch Ursachen, die auf Dauer preistreibend wirken. Insgesamt aber geben die Experten recht einmütig Entwarnung.

Als Jahreswert für den Anstieg der Verbraucherpreise werden 2,2 Prozent erwartet

Im Schnitt ihrer Prognosen, dem „Consensus Forecast“ vom Mai, erwarten die Ökonomen von rund 30 Banken und Forschungsinstitute 2,2 Prozent Teuerung als Durchschnittswert für das gesamte Jahr 2021. Als Jahreswert für 2022 werden derzeit im Schnitt 1,6 Prozent Inflation prognostiziert – und damit ein völlig normaler Wert.

Übrigens: Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt ja nicht etwa eine Null-Inflation an, sondern eine Teuerung knapp unter 2 Prozent. In einem eigenen aktiv-Bericht erklären wir, warum die Währungshüter diese Inflationsrate anpeilen.

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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