Auf der Armaturenbrettablage im Auto liegt noch die leere Wurstverpackung. Sie hat sich in der heißen Nachmittagssonne bizarr verformt. Die daneben liegende Sonnenbrille hingegen ist, wie auch das Armaturenbrett selbst, wie neu. Wie kann das sein, wo doch alle Teile aus Plastik bestehen?

„Die Antwort auf diese Frage liegt im jeweiligen Plastikwerkstoff und der Bindung seiner Moleküle“, weiß Michael Gehde, Leiter der Professur für Kunststoffe an der TU Chemnitz. Hier wird etwa an der energieeffizienten Verarbeitung und am Schweißen diverser Kunststoffe geforscht, aber auch an Werkstoffmodifikationen und Recycling sowie an der Konstruktion von Werkzeugen und Bauteilen.

Plastik besteht aus großen Molekülen

Grundsätzlich gilt: Alle Kunststoffe setzen sich aus großen Molekülen zusammen, sogenannten Polymeren. „Poly“ bedeutet im Altgriechischen „viel“ und „meros“ das „Teil“. Die Polymere wiederum bestehen aus sehr vielen kleinen und gleichen Bestandteilen: den Monomeren – „eins“ und „Teil“. Sie sind aus zwei oder mehr Elementen gebildet und reaktionsfähig.

„Beispielsweise setzen sich die Monomere beim Gas Ethylen aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen oder beim Vinylchlorid aus den Atomen von Kohlenstoff und Wasserstoff sowie Chlor zusammen“, so Professor Gehde. Reagieren die Monomere chemisch miteinander und verbinden sich, werden sie „Poly“ und zu Kunststoffen – die aus dem eben genannten Beispiel zu Polyethylen (PE) und Polyvinylchlorid (PVC).

Hart, flexibel, elastisch: Eine Frage der chemischen Bindung

Anhand der Bindung der Moleküle untereinander und der daraus entstehenden physikalischen Eigenschaften lassen sich drei Gruppen von Plastik-Werkstoffen unterscheiden: Duroplaste, Thermoplaste und Elastomere.

  1. Duroplaste (etwa die Griffe von Töpfen, Steckdosengehäuse oder glasfaserverstärkte Rümpfe von Sportbooten) sind von Haus aus hart und spröde.
  2. Thermoplaste hingegen, die etwa für Lebensmittelverpackungen, Getränkeflaschen oder Lego-Steine verwendet werden, sind vorrangig flexibel und biegsam.
  3. Elastomere (Gummi) sind, wie es der Name schon sagt, vor allem elastisch. Deshalb kann man aus ihnen zum Beispiel Luftballons, Dichtungen und den Kautschuk für Reifen herstellen.

„Der Grund für diese Eigenschaften ist die Art und Weise, wie die Makromoleküle untereinander verbunden sind“, erklärt Gehde, der übrigens zahlreiche Patente zur Kunststoffverarbeitung und zum Maschinenbau in der Kunststoffverarbeitung hält. Bei Duroplasten vernetzten sich die Moleküle untereinander zu einem engmaschigen, chemisch gebundenen dreidimensionalen Gitter.

Beim Thermoplast bilden sich grundsätzlich sehr lange Ketten. Die liegen im Allgemeinen nebeneinander und sind nur durch physikalische Bindungskräfte untereinander verbunden. Beim Plexiglas hingegen sind die Moleküle regellos verknäult, Polyethylen bildet kristallartige, regelmäßig gefaltete Strukturen. Und bei den Elastomeren sind die Kettenmoleküle mit wenigen chemischen Bindungen untereinander verbunden.

Duroplast und Gummi können nicht schmelzen

Gehde: „Diese Struktur bestimmt auch das Verhalten der Kunststoffe beim Erhitzen.“ Die stark vernetzten Duroplaste können nicht schmelzen, sondern zersetzen sich einfach nach einer gewissen Zeit unter hoher Wärme. Das gilt auch für die Elastomere.

Schmelztemperatur-Bereich beim Thermoplast entscheidend

Thermoplaste hingegen werden durch das Erhitzen weich, da die Wärme die physikalischen Bindekräfte zwischen den Molekülen beeinträchtigt. Plexiglas etwa erweicht durch Wärme nach und nach und wird fließfähig. Polyethylen hat einen engen Schmelztemperaturbereich, oberhalb dessen es fließfähig ist. Thermoplaste können in einem engen Temperaturfenster wiederholt geschmolzen und somit recycelt werden. Allerdings: Wenn das Material zu viel Wärme zu lange ausgesetzt ist, zersetzt es sich ebenfalls.

Wie viel Wärme Plastik aushält

„Die Leistungsfähigkeit thermoplastischer Kunststoffe wird anhand ihrer thermischen Einsatzgrenzen definiert“, berichtet Professor Gehde. „Standard- oder Massenkunststoffe wie beispielsweise PVC können bis circa 100 Grad eingesetzt werden, technische Kunststoffe wie Polyamid ertragen bis etwa 150 Grad und die Hochleistungsthermoplaste wie zum Beispiel das Teflon einer Bratpfanne können teilweise über 300 Grad vertragen.“

Verarbeitet werden sie bei etwa 200 bis 350 Grad. Das muss allerdings rasch geschehen, denn eine längere Einwirkung von Wärme vertragen die Materialien nicht. Ihre Wärmestabilität lässt sich gegebenenfalls mithilfe von Zusatzstoffen (Additiven) heraufsetzen.

Was ist nun mit unserer Wurstverpackung (Polyethylen – PE), dem Fenster (Polyvinylchlorid – PVC) und dem Rahmen der Sonnenbrille (Polyamid – PA) passiert? PE bleibt auf Dauer stabil bei maximal 100 Grad Celsius, bevor es bei rund 130 Grad schmilzt. Das PVC des Fensterrahmens verträgt auf lange Sicht etwa 120 Grad Celsius. Und vom Polyamid des Brillenrahmens wissen wir, dass es je nach Typ langfristig bis zu 200 Grad Celsius aushalten kann.