Koblenz. Kaum jemand weiß es, aber: Tomaten sind unglaublich aggressiv! Ihr Saft lässt sogar Edelstahl rosten – und bringt daher Maschinen für die Ketchup-Herstellung schnell zum Stillstand. Es sei denn, die sind besonders geschützt. Genau für solche extremen Zwecke hat die Koblenzer Firma Deloro Speziallegierungen im Angebot.

Das Grundrezept ist schon mehr als 100 Jahre alt – und geheim, Basis ist jedenfalls Kobalt. Entweder werden aus der Legierung mit dem Markennamen „stellite“ gleich ganze Bauteile hergestellt, oder sie kommt als Beschichtung auf andere Metallteile.

Die Produkte auf Kobalt-Basis müssen extremen Belastungen standhalten

Deloro-Produkte kommen in Maschinen, Motoren, Industrieanlagen aller Art zum Einsatz – überall da, wo es heiß wird, Metallteile aneinanderreiben oder Flüssigkeiten Korrosion auslösen können. Das kann der Turbolader eines Nutzfahrzeugs sein, ein Regelungsventil in einem Kraftwerk oder auch eine Bohrkopf-Turbine. Hohe Belastungen lange aushalten, darum geht es.

Das Besondere am Betrieb in Koblenz, in dem 325 Menschen arbeiten, ist neben dem kostbaren Know-how eine enorme Bandbreite in der Fertigung – die für diesen Spezialisten in der Nische offenbar nötig ist.

„Wir können hier praktisch alles“, sagt Michael Rünz stolz, „außer Tieflochbohren. Von Gießverfahren über Schweiß- und Spritzverfahren bis zu allen gängigen Bearbeitungsmethoden wie Fräsen, Drehen und Schleifen haben wir alles vor Ort.“ Rünz, Geschäftsführer des Werks, ist zugleich Chef der Deloro-Gruppe, zu der noch drei Standorte in Italien und der Schweiz gehören. Und er weiß genau, wovon er spricht, auch wenn er selbst kein Techniker ist: Rünz hat schon seine kaufmännische Ausbildung vor bald 30 Jahren hier absolviert.

Alles unter einem Dach – von der Gießerei bis zum Industrieroboter

Als er aktiv durch die Produktion führt, offenbaren sich sozusagen mehrere Kapitel Industriegeschichte. Da gießen in einer Halle Männer in silbernen Schutzanzügen die rund 1.600 Grad heiße Legierung aus groben Töpfen in Sandformen. Gleich nebenan wird der Einsatz eines Roboters vorbereitet: Er wird das schützende Material per Laserschweißverfahren auf einen gewaltigen Stahlring auftragen, der als Setzring in einem Kraftwerk dienen wird.

Von der Stange ist hier kaum etwas, bis auf wenige Ausnahmen produziert Deloro nur Einzelstücke – exakt nach Kundenwunsch.

In dem Werk wird seit 1972 gefertigt. In der bewegten Geschichte gab es schon sechs Eigentümerwechsel. Rünz hat sie alle miterlebt, nun blickt er zuversichtlich nach vorne: Seit 2015 gehört Deloro zu Madison Industries, einer US-Firmengruppe in Privatbesitz. Zuletzt hat man in Koblenz eine eigene Marktforschungsstelle eingerichtet, um auf Trends schnell reagieren zu können.

So wird zum Beispiel schon heute über Lösungen für den Gasantrieb von Kreuzfahrtschiffen nachgedacht. Der könnte bald sehr gefragt sein, und Deloro will dann ganz vorne mitmischen: Damit die Gasmotoren, die ja eine extreme Hitze entwickeln, auch wirklich lange halten.

Werner Grosch
Autor

Werner Grosch war lange Jahre leitender Redakteur einer Tageszeitung mit den Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Für aktiv schreibt er Reportagen aus Unternehmen der Metall- und Elektrobranche und porträtiert Mitarbeiter aus diesen Branchen mit ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten oder Hobbys. Privat und beruflich ist er am liebsten mit dem Rad unterwegs.

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