Hanau. Gold, Platin, Lithium, seltene Erden: Für die Metalle und Mineralien in unseren Smartphones mussten Minenarbeiter im Kongo, in China und anderswo auf der Erde tief graben. Das ist aufwendig und wenig nachhaltig, zumal natürliche Ressourcen immer knapper werden. Eine Alternative dazu bietet das sogenannte Urban Mining, also das Ausbeuten menschengemachter Rohstofflager. Eine dieser „Minen“: die heimische Schublade.

Dort horten die Deutschen laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom aktuell sage und schreibe rund 210 Millionen Alt-Handys! Jedes davon besteht fast zur Hälfte aus Metallen, die gut recycelbar wären. „Aus 1 Tonne Smartphones ohne Akkus lassen sich 200 bis 250 Gramm Gold holen“, sagt Christian Hagelüken vom Recycling-Spezialisten Umicore. Hinzu kommen Kupfer, Palladium, Silizium, Aluminium und andere Rohstoffe.

Recycling von Handys: Unternehmen haben das Potenzial erkannt

Wie wertvoll Deutschlands Schubladenschatz genau ist, haben jetzt Forscherinnen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) errechnet. Adriana Neligan und Sarah Fluchs legten dafür zwei Zahlen übereinander: zum einen den Gesamtmetallwert unserer ungenutzt herumliegenden Handys – 240 Millionen Euro. Zum anderen den Materialwert der Metalle aller 2021 hierzulande verkauften Smartphones: 23,5 Millionen Euro. „Allein mit Schubladen-Handys könnte Deutschland also seinen Metallbedarf für Smartphones für über zehn Jahre decken“, kommentiert Neligan das Ergebnis.

240.000.000 Euro ist der Metallwert aller ungenutzten Handys in Deutschland.

Natürlich ist die Rechnung theoretisch: Damit sie stimmt, müsste zum einen wirklich jeder sein altes Nokia oder iPhone an einer Recycling-Stelle abgeben – Sammlerstücke inklusive. Zum anderen lassen sich auch nicht alle Geräte gleich gut recyceln. Trotzdem seien die Zahlen wichtig, glaubt die IW-Forscherin: „Sie zeigen, wie groß das Potenzial des Urban Mining ist.“

Das haben viele Unternehmen längst erkannt. Der Materialtechnologie-Konzern Umicore etwa – entstanden im 19. Jahrhundert als klassischer Bergwerksbetreiber – schürft seine Metalle heute zunehmend in urbanen Minen. „Wir recyceln nicht nur Gold, sondern alle Edelmetalle aus Elektroschrott, Autokatalysatoren, Schmuck und anderem“, sagt Recycling-Experte Hagelüken.

Auch die Hamburger Kupferhütte Aurubis holt ihre Rohstoffe vermehrt aus dem Müll. Bis 2030 will das Unternehmen den Recycling-Anteil seiner Kupferkathoden auf 50 Prozent steigern. Technisch wäre das kein Problem: Kupfer kann ohne Qualitätsverlust zu 100 Prozent recycelt werden.

Lithium-Batterien: Österreich diskutiert über ein Akkupfand

Um die Wiederverwertung voranzutreiben, müssen aber auch die Verbraucher mitspielen. Und die entsorgen ihre Altgeräte bislang oft nicht korrekt. Laut dem „Global E-Waste-Monitor“ wurden 2019 weltweit nur 17,4 Prozent des Elektroschrotts gesammelt und recycelt. Der Rest verrottet auf Deponien oder wird verbrannt. Um das etwa bei Lithium-Batterien zu verhindern, wird in Österreich gerade über ein Batteriepfand diskutiert.

Expertin Neligan hält andere Ansätze für sinnvoller, etwa die längere Nutzung von Geräten. Und neue Vorgaben zum Produktdesign: „Vieles ist bisher nicht auf ein Recycling hin konstruiert. Das muss sich ändern.“

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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