Berlin/Köln. Finanzpolitischer Paukenschlag: Im Juli haben sich die Finanzminister der „G 20“, also der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, auf eine Mindestbesteuerung geeinigt. 15 Prozent vom Gewinn sollen alle Firmen mindestens abführen.

Wenn es denn tatsächlich so kommt, wird das global für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Prima! Am Standort D haben wir da allerdings ein ganz anderes Problem: „Deutschland ist ein Hochsteuerland“, erklärt Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Steuern sind nicht alles – aber Steuersätze sind eben doch ein wichtiger Standortfaktor, etwa wenn es um Investitionen geht. Und seit der letzten nennenswerten Reform 2008 ist die Belastung hierzulande gestiegen, während viele andere Länder ihre Steuersätze gesenkt haben.“

Bundesverband der deutschen Industrie fordert, den Körperschaftsteuersatz deutlich zu senken

Ein Blick in entsprechende Datenbanken genügt, um festzustellen: Hiesige Betriebe müssen im rechnerischen Mittel 30 Prozent vom Gewinn an Unternehmensteuern abdrücken. 5 Prozent mehr als ihre Konkurrenten etwa in Österreich oder Belgien und sogar 11 Prozent mehr als in Polen oder Tschechien!

Fast ein Drittel ist weg: Der Staat kassiert ein großes Stück vom Gewinn der Unternehmen.

Aber wie kommt man eigentlich auf diese 30 Prozent? Mit zwei Rechenschritten: Auf die Körperschaftsteuer in Höhe von 15 Prozent wird nach wie vor der Soli-Zuschlag fällig, außerdem unterliegen Firmengewinne der (örtlich unterschiedlich hohen) Gewerbesteuer. Lesen Sie auf aktiv-online mehr über den Wegfall des Soli-Zuschlags für die meisten Arbeitnehmer und über die Umsatzrendite in der Metall- und Elektro-Industrie.

Und werden dann in der Praxis auch tatsächlich so viel Steuern bezahlt? Ja: „Die effektive Steuerbelastung der Firmen entspricht bei uns im Schnitt ziemlich genau den nominalen Steuersätzen“, weiß der IW-Experte, „auch, weil es – anders als in vielen anderen Ländern – kaum spezielle Steuervergünstigungen gibt.“

Anfang des Jahres hat der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) ein „Steuermodell der Zukunft“ vorgelegt. Kernforderungen: Der Körperschaftsteuersatz sollte von 15 auf 10 Prozent gesenkt und der Soli-Zuschlag auch für Betriebe abgeschafft werden.

Senkung der Unternehmensteuern würde für mehr Investitionen und Beschäftigung sorgen

Was das wohl kosten würde und was das bringen könnte, hat man inzwischen am IW ermittelt. Natürlich müsse der Staat nach einer Steuersenkung auf Einnahmen verzichten, sagt Ökonom Hentze. Aber eine derartige Unternehmensteuerreform hätte positive Auswirkungen auf Investitionen und Beschäftigung und damit auf das Wachstum: „Nach zehn Jahren haben die positiven Impulse die Mindereinnahmen des Staates um insgesamt mehr als 30 Milliarden Euro überstiegen.“

Fazit des IW-Steuerexperten: „Die neue Bundesregierung sollte die Augen nicht davor verschließen, dass Unternehmen in den meisten anderen Industriestaaten geringer belastet werden. Denn das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil für den Standort Deutschland.“

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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