Hamburg. Derzeit landet bei etlichen Menschen Post von der Bank im Briefkasten: die Aufforderung, sich zu einem Beratungsgespräch einzufinden. Davon berichtet Sandra Klug, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Anlass sind die Verwahrentgelte für Guthaben auf Giro- oder Tagesgeldkonten – im Volksmund als „Strafzinsen“ bekannt.

Noch werden die oft erst ab 50.000 Euro fällig. Teils aber auch schon auf niedrigere Guthaben, etwa ab 5.000 Euro. Und: „In einzelnen Fällen gibt es gar keinen Freibetrag“, sagt Klug, „das Verwahrentgelt wird also schon ab dem ersten Euro fällig.“

Betroffen sind damit nicht mehr nur Vermögende: Parkt man etwa das Geld aus einem Autoverkauf eine Weile auf dem Girokonto, zahlt man oft schon Negativzinsen darauf.

Die Banken müssen selbst Strafzinsen an die EZB bezahlen: aktuell minus 0,5 Prozent

Das liegt letztlich an der jahrelangen Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), mit der diese die Wirtschaft ankurbeln will. Die Banken ihrerseits müssen nämlich auf Einlagen bei der Zentralbank einen Negativzins zahlen, seit 2014 schon. Seit 2019 liegt der Zinssatz für diese „Einlagefazilität“ der Banken bei minus 0,5 Prozent. Und nun geben eben immer mehr Finanzinstitute diese Kosten an ihre Kunden weiter.

„In einzelnen Fällen gibt es beim Verwahrentgelt gar keinen Freibetrag mehr.“ Sandra Klug, Verbraucherzentrale Hamburg

Das sei nötig, weil man die Einlagen von Kunden im Negativzinsumfeld nicht rentierlich anlegen könne, die Gelder der Kunden führten im Gegenteil zu Verlusten – und darauf müsse reagiert werden, heißt es dazu etwa beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband.

Das Vergleichsportal Verivox listete schon im September rund 400 Institute, die Verwahrentgelte erheben (wobei viele dieser Banken dies erst jenseits der 100.000 Euro tun). Bei Neukunden sind die Negativzinsen oft schon Vertragsbestandteil. Wer ein Konto eröffnen möchte, sollte sich also direkt erkundigen, ob Verwahrentgelte erhoben werden und welcher Freibetrag dabei berücksichtigt wird.

Einige Banken holen nun von Bestandskunden die Zustimmung zum Verwahrentgelt ein

Bei älteren Konten ist ein Verwahrentgelt normalerweise nicht vereinbart. Einige Banken versuchen deshalb nun, die Genehmigung dafür von ihren Bestandskunden einzuholen. „Manche drohen sogar mit der Kündigung des Kontos, wenn die Kunden dem Verwahrentgelt nicht zustimmen“, sagt Verbraucherschützerin Klug. Auch Fälle, in denen ein Kreditinstitut einfach so ein Verwahrentgelt kassiert hat, sind ihr bekannt: „Das ist rechtswidrig, sodass die Kunden diese Beträge zurückfordern können.“

Übrigens: Ob die Erhebung von Negativzinsen für Konten von Privatkunden überhaupt grundsätzlich rechtmäßig ist, ist offen – dazu laufen schon Gerichtsverfahren.

Um Strafzinsen zu vermeiden, kann man größere Guthaben auf mehrere Banken aufteilen

Die Kunden können den neuen Verwahrentgelten kaum entgehen. Wer der Vereinbarung nicht zustimmt, riskiert, sich eine andere Bank suchen zu müssen. Die dann vielleicht auch bald zu den Strafzinsen greift … Klug rät dennoch, nie etwas sofort in der Filiale zu unterschreiben. Und wer die Bank wechseln möchte, sollte besser selbst kündigen – es sei nicht ausgeschlossen, dass sich eine bankseitige Kündigung negativ auf den Scoring-Wert bei der Schufa auswirke.

Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit, größere Beträge auf verschiedene Banken aufzuteilen, um unter den jeweiligen Freibeträgen zu bleiben – oder einen Teil der Spargroschen in andere Anlageformen umzuschichten, für die kein Verwahrentgelt erhoben wird.

Sonderfall: Strafzinsen für die Mietkaution?

Für die Mietkaution gilt als grundsätzliche Regel: Der Vermieter ist verpflichtet, die Kaution in Höhe von maximal drei Kaltmieten getrennt von seinem eigenen Vermögen verzinslich anzulegen. Bei Auflösung des Kautionskontos stehen die Zinserträge dem Mieter zu. Die Höhe des Zinssatzes muss mindestens dem sogenannten Spareckzins entsprechen, den die Deutsche Bundesbank festlegt. Derzeit liegt dieser bei 0,09 Prozent. Aber was, wenn auch dieser Spareckzins zukünftig mal ins Negative dreht?

Der Deutsche Mieterbund in Berlin erklärt dazu: In so einem Fall wäre es tatsächlich möglich, dass der Mieter weniger Kaution zurückgezahlt bekommt, als er bei Abschluss des Mietvertrags hinterlegt hat. Dies muss er dann hinnehmen. Umgekehrt darf der Vermieter keinen Nachschuss zur Kaution verlangen, weil seine Sicherheit durch die Minuszinsen schrumpft. Wird für das Kautionskonto aber einfach ein Verwahrentgelt erhoben, hat diese Kosten der Vermieter zu tragen. Das betont jedenfalls der Mieterbund.

Waltraud Pochert
Autorin

Waltraud Pochert hat bei aktiv vor allem Verbraucherthemen aus dem Bereich der privaten Finanzen sowie Recht und Steuern im Blick. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln startete sie ihre berufliche Laufbahn bei einem großen Wirtschaftsmagazin, bevor sie als freie Journalistin tätig wurde. In ihrer Freizeit ist sie gern sportlich unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad.

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