Alfeld. Jürgen Dreyer haut so schnell nichts um. Der 65-Jährige hat in seinem Unternehmerleben schon so manche Preisverhandlung mit Kunden geführt. Er hat erfahren, dass Großaufträge zwar die Auslastung sichern – aber nicht unbedingt langfristige Sicherheit für den Betrieb bedeuten. Er hat erlebt, dass ein Großkunde zwar gut ist, aber eine zu starke Abhängigkeit von einem Kunden eben auch riskant. Dreyer weiß: Die Dinge sind oft nicht so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Vielleicht ist das der Grund, warum Teambesprechungen bei der Metallgießerei Wilhelm Funke erst dann beendet sind, wenn alle Aspekte ausdiskutiert sind.

Regelmäßig trifft sich der geschäftsführende Gesellschafter mit seinem Führungskreis, morgens im Großraumbüro oder spontan beim Kaffee an der Küchentheke. Dreyers Erfahrung ist den jüngeren Mitarbeitern wichtig – gerade in schwierigen Zeiten. Man nimmt es dem Unternehmer ab, wenn er beim aktiv-Besuch sagt: „Ich neige nicht zur Sorge. Aber die mittelfristige Situation beschäftigt mich schon.“

Fachkräfte: Wer hier einmal angefangen hat, bleibt meistens gerne

Tatsächlich ist das Bild in der Gießerei-Branche trügerisch. Einerseits herrscht in vielen Betrieben Vollbeschäftigung. Auch bei Funke im Leinebergland laufen die Anlagen unter Volllast, die Nachfrage nach Prototypen und Kleinserien ist da. „Doch das heißt nichts“, sagt Dreyer, „denn das kann sich schnell ändern.“ Denn auch die Gießerei Wilhelm Funke spürt, dass Material und Vorleistungen immer schwieriger zu bekommen sind. Dass Energie extrem teuer geworden ist. Dass Kunden zwar noch bereit sind, Aufschläge zu zahlen – aber dass auch 2023 ein schwieriges Jahr werden könnte.

Wobei dem Traditionsunternehmen in der strukturschwachen Region zwischen Bad Gandersheim und Hildesheim aktuell besonders das Fachkräfteproblem Sorgen macht. Trotz der massiven Krisen hält Geschäftsführer Dreyer daran fest, das Know-how im Betrieb zu sichern und auszubauen. „Wer aus der Branche kommt und bei uns mitmachen will, kann sofort anfangen“, sagt er.

„Wir erzeugen unseren Strom hier bald selbst. Konzepte gibt es, und Ende 2023 auch Ergebnisse.“

Jürgen Dreyer, geschäftsführender Gesellschafter der Gießerei Wilhelm Funke

Und wer einmal bei Funke angefangen hat, bleibt oft sein gesamtes Berufsleben dort. Viele der 90 Mitarbeiter reizt die Abwechslung, die der Betrieb bietet. So wie Thorsten Schirrmacher. Der 42-Jährige hat bei Funke Modellbauer gelernt, heute leitet er die sogenannte Putzerei. „Routine gibt es bei uns nicht“, sagt er, „kein Tag ist wie der andere.“ Was reizt ihn besonders an der Arbeit? Schirrmacher überlegt kurz und verweist dann auf die Arbeit an Prototypen: „Die Anforderungen sind immer wieder neu. In einem Jahr denkt man, jetzt sind die physikalischen Grenzen erreicht. Im nächsten Jahr sieht man: Es geht doch noch mehr. Das ist faszinierend!“

Technische Herausforderungen lieben sie bei Funke in Alfeld. Die Firma ist kein Billiganbieter, für den höheren Preis aber wird schnell und pünktlich geliefert. Das hat sich herumgesprochen und ist ein Grund dafür, warum immer neue Kunden auf Empfehlung anfragen und langjährige die Treue halten. Über die Jahrzehnte habe sich ein extrem gutes Vertrauensverhältnis zur Kundschaft entwickelt, sagt Dreyer.

Das passt durchaus zu Jürgen Dreyer. Er stammt aus einer Unternehmerfamilie in der Region: Sein Vater baute ein Autohaus auf, sein Bruder führt es weiter. Dreyer selbst kam 1988 zu Funke, kehrte nach einer kurzen Episode in einer anderen Firma 1996 zurück, stieg später als Gesellschafter ein und half Wilhelm Funke, dem Sohn des Firmengründers, bei der Restrukturierung nach einer Insolvenz.

Die Gießerei beliefert alle namhaften Autobauer

Heute gehören nicht nur der Guss, sondern auch die komplette mechanische Bearbeitung von Einzelteilen, Prototypen und kleinen Serien zum Angebot. Alle namhaften Autobauer bestellen laut Dreyer bei Funke. Die andere Hälfte der Kundschaft kommt aus Branchen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Maschinenbau oder dem Motorsport.

Mit Gästen fährt Dreyer übrigens gern mit einem der drei E-Dienstwagen ins benachbarte Zweigwerk. Ein kurzer Weg, doch ein großer technologischer Sprung: Im Zweigwerk gibt es modernste Anlagen, ausgelegt für kleine Stückzahlen und hohe Präzision. Eine Fräsmaschine lässt in wenigen Augenblicken Modelle entstehen. Nebenan bearbeiten CNC-Anlagen Gussteile. Im Labor prüft eine Koordinatenmessmaschine – alles vom Feinsten. Technologisch vorn zu sein, das hält Dreyer für besonders wichtig.

Bei der Energiewende wiederum gilt jetzt die Devise: Weg vom teuren Gas, hin zu selbst produziertem Strom. Konzepte gibt es schon, „Ende 2023 haben wir da auch greifbare Ergebnisse“, verspricht Dreyer. Man spürt: Der Mann will das über 60 Jahre alte Unternehmen fit für die Zukunft machen.

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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