Köln. Die Sozialpartnerschaft macht es uns leichter, gemeinsam Lösungen in schwierigen wirtschaftlichen Lagen zu finden. Deshalb ist sie ein wichtiger Baustein für sozialen Frieden, meint Hagen Lesch. Er ist Experte für Tarifthemen beim Institut der deutschen Wirtschaft.

Was ist das Besondere an der deutschen Sozialpartnerschaft?

Bei uns gilt für gut jeden zweiten Beschäftigten ein Flächentarifvertrag. In Großbritannien dagegen gibt es keine Flächentarifverträge, sondern sehr viele dezentrale Vereinbarungen auf der Betriebsebene. In Frankreich ist es wieder anders, dort reguliert der Staat sehr viel. Aber verglichen mit anderen Ländern haben wir wenige Streikausfalltage! In Deutschland sorgt die Sozialpartnerschaft also für ein hohes Maß an sozialer Stabilität und sozialem Frieden.

Gilt das denn für alle Betriebe?

Nein, aber etwa die Hälfte der Unternehmen, die nicht an Tarifverträge gebunden sind, orientiert sich dennoch daran: Der Tarifvertrag strahlt also auch auf diese Betriebe und ihre Mitarbeiter aus. Die Freiheit, sich für oder auch gegen eine Tarifbindung zu entscheiden, muss aus meiner Sicht bestehen bleiben. Denn sie sorgt mit für eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, wie wir seit Mitte der 2000er Jahre gesehen haben.

Hilft uns die Sozialpartnerschaft auch besser durch Krisen?

Ja. Denn gerade in Krisen verschiebt sich der Fokus der Beschäftigten von Entgelterhöhungen auf Beschäftigungssicherung. Dann ist es gut, wenn Lösungen von kollektiven Akteuren ausgehandelt werden, die das Vertrauen sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber genießen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Die Kurzarbeit, die erstmals in der Finanzkrise 2009/2010 und dann wieder während der Corona-Pandemie verstärkt genutzt worden ist, im Zusammenspiel mit der Regierung. In einem völlig dezentralen System hätte das wahrscheinlich nicht so gut funktioniert. So gesehen erweitert die Sozialpartnerschaft die Möglichkeiten, auf Krisen zu reagieren. Erfahrungsgemäß einigen sich die Sozialpartner in harten Zeiten recht schnell auf Maßnahmen, die Arbeitsplätze sichern können. In der Corona-Krise hat auch geholfen, dass durch flexible Regelungen die Belange kleinerer und mittlerer tarifgebundener Betriebe besonders berücksichtig wurden.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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