München. Sie war zwei Jahre Berichterstatterin in Afghanistan, für die Wochenzeitschrift „Die Zeit“: die Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel. Die Schicksale der Menschen in dem Kriegsgebiet lasten auf ihrer Seele. Linderung verschafft ihr ein Entschluss: In jeder Geschichte einen Hoffnungsschimmer zu suchen. aktiv sprach mit ihr darüber, ob uns dieser Ansatz auch heute weiterhelfen könnte.

Welche Meldung hat Sie heute besonders interessiert?

Ich höre oder schaue nicht ständig Nachrichten. Ich habe nicht das Gefühl, dadurch viel zu verpassen: Unter dem Druck der Aktualität werden in den Nachrichten kaum größere Zusammenhänge erklärt – etwa, warum bestimmte Probleme überhaupt entstehen.

Zur Meinungsbildung muss man sich aber umfassend informieren?

Das ist schwer, es gibt einfach zu viele Nachrichten. Um mitreden zu können, hilft es, sich intensiver mit einzelnen Themen zu beschäftigen – vor allem mit solchen, die für das eigene Leben wichtig sind. Oder für die eigenen Werte.

Also Nachrichten-Entschleunigung?

So könnte man es nennen. Informieren Sie sich zu festen Zeiten, einmal oder auch dreimal am Tag, für zehn Minuten. Stellen Sie die Push-Nachrichten ab! Dann durchlöchern die Nachrichten Ihren Tag nicht so sehr und Sie können besser damit umgehen.

Sie sagen auch, der laufende News-Strom sei zu negativ?

Ja. Und was das mit uns macht, ist breit erforscht: Negative Nachrichten erzeugen bei uns Angst und Gefühle von Ohnmacht. Irgendwann fühlt man sich dann auch im Privatleben oder in beruflichen Dingen hilflos. Obwohl wir das nicht sind.

Das ist Ihre eigene Erfahrung?

Als Reporterin in Kabul schrieb ich über Gewalt, Krieg und Armut. Ich merkte sehr schnell, dass es mir nicht guttut, immer nur auf Probleme zu schauen. Ich wollte auch wissen, wie wir sie lösen können.

Also brauchen wir mehr Wohlfühlgeschichten?

Die allein reichen nicht. Klar gibt es in unserer Welt beängstigende Dinge. Aber wir sind nicht hilflos. Wir haben – als Einzelne und als Gesellschaft – Möglichkeiten, es besser zu machen. Jede Geschichte hat das Zeug zu einem konstruktiven Twist. Nötig sind mehr Beispiele dafür, wie Probleme oder Herausforderungen gelöst werden: Was andere Länder oder Menschen besser gemacht haben. Wie im Privatleben mehr Solidarität geübt werden kann.

Aktuell sind ganze Wirtschaftszweige bedroht, viele sorgen sich.

Da kommt zurzeit viel auf einmal zusammen. Tatsache ist aber auch: Wirtschaftliche Krisen oder Kriege gab es schon immer. Und die Menschen waren schon immer gut darin, Krisen zu bewältigen. Gute Beispiele können da weiterhelfen. Angst ist ansteckend. Mut und Zuversicht sind es aber ebenso!

Auch angesichts von Putins Krieg?

Natürlich ist dieser Krieg schlimm, genau wie Kriege in anderen Ländern. Aber gerade deshalb ist wichtig, auch zu fragen: Was können wir jetzt tun? Was hat in der Vergangenheit schon mal geholfen? Wie funktionieren Friedensverhandlungen? Wie Waffenstillstand? Wie Widerstand?

Leicht gesagt, oder?

Ich habe das Gefühl, dass sich schon beim Versuch, konstruktiv an Dinge heranzugehen, eine ganze Welt öffnet. Wir merken auf einmal, was wir für Möglichkeiten haben, Dinge zum Positiven zu verändern.

Manchmal muss man sich aber auch Frust von der Seele reden.

Das ist natürlich wichtig, wenn es uns schlecht geht. Wenig hilfreich ist aber das alltägliche Genörgel: über das kaputte Handy oder den verspäteten Zug … Beginnt ein Gespräch so, ist es schwer, diese Spur wieder zu verlassen. Wenn wir aber mit etwas Positivem einsteigen, ist die Chance größer, dass sich das Gespräch in diese Richtung entwickelt. Versuchen Sie es mal!

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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