Backnang. Im Gewühl von Menschenmengen stellt es sich mitunter ein, dieses Unbehagen: Was, wenn mir einer das Handy wegreißt? Wenn mein Kind verloren geht? Ein Schläger rumläuft?

An Bahnhöfen befinden sich Notrufsäulen. Wer den Knopf drückt, erreicht einen Mitarbeiter der Leitstelle. Der kann alle Vorgänge im Bahnhof zentral steuern! Zum Beispiel: einen Dieb mit Kameras verfolgen. Oder Sicherheitskräfte dirigieren.

Technik auch für Polizei und Feuerwehr

Die Technik für diese sogenannten „3-S-Zentralen“ der Bahn („Sicherheit, Service, Sauberkeit“) hat ein Mittelständler aus Backnang konzipiert: Telent. Ingenieure tüfteln hier an Kommunikationslösungen für „kritische Infrastrukturen“. Technik-Chef Reinhard Wegener erklärt: „Das sind Bereiche, wo das Kommunikationsnetz essentiell wichtig für die sichere Funktion von technischen Anlagen ist, von denen am Ende die Sicherheit von Leib und Leben abhängt.“ Solche kritischen Infrastrukturen gibt’s überall. Etwa bei Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, wie Polizei, Feuerwehr oder Technischem Hilfswerk: Auf ihre Funknetze und Sirenensteuerung muss Verlass sein. Ein Fall für Telent.

Von dem Mittelständler kommt auch die Leitstellen- oder Funktechnik für Nahverkehrssysteme. Ein weiteres Beispiel für Sondernetze und Lösungen von Telent ist die unsichtbare Netz-Infrastruktur entlang der bundesweiten Autobahnen: Sie dient dazu, dass an den Notrufsäulen jemand antwortet, dass Sensoren die Fahrbahntemperatur melden und dass Autofahrer an den Anzeigetafeln Stauwarnungen eingespielt bekommen.

In kritischen Bereichen braucht man Sondernetze

Auch die Deutsche Flugsicherung hat übrigens Lösungen von Telent im Einsatz. Denn die Funknetze, über die hier kommuniziert wird, müssen jederzeit funktionieren. Wegener schildert: „Die Betreiber kritischer Infrastrukturen können sich natürlich nicht ausschließlich auf die klassischen Provider-Netze verlassen, die der Normalverbraucher kennt. Sie brauchen Sondernetze.“ Klar, ein Flugzeug muss immer erreichbar sein. Und Rettungskräfte müssen auch in einem Tunnel Signale empfangen können. Funkloch? Fehlanzeige.

Diese Netze sowie das ganze Drumherum vom Kabel bis zur Software entwickelt und installiert der 500-Mann-Betrieb, der zur Euromicron-Gruppe gehört. Das Unternehmen hat zudem auch noch weitere Standbeine: Telent kümmert sich zum Beispiel bei Industrie-Unternehmen um Cyber-Security und die Vernetzung von Produktionsabläufen, ein gefragtes Thema.

Auch dieses Projekt ist interessant: Aktuell statten die Mitarbeiter rund 7.000 Weichen im Netz der Deutschen Bahn mit intelligenten Messsystemen aus. Damit werden Ausfälle und Störungen der Weichen über ein Fernüberwachungssystem erkannt und automatisch gemeldet – und zwar schon, bevor sie eintreten!

Technik-Chef Wegener erklärt, wie das geht: „Sensoren messen die Stromaufnahme bei der Weichenstellung. Wenn sie sich unerwartet ändert, ist das ein Hinweis, dass die Weiche nicht mehr so gut läuft und bald ausfällt.“ So kann sie schon erneuert werden, bevor es einen Ausfall gibt.

Das Service-Zentrum von Telent ist rund um die Uhr besetzt

Telent installiert solche Systeme nicht nur, sondern kümmert sich um die gesamte Wartung. Wegener zeigt die Service-Schaltstelle in der Backnanger Firmenzentrale: Hier sitzen rund um die Uhr Mitarbeiter an ihren Bildschirmen und Telefonen, nehmen Störungsmeldungen entgegen und klären sofort, wie kritisch ein Ausfall ist. „Rund um die Uhr, auch an Tagen wie Heiligabend“, erklärt Wegener. „Etwa die Hälfte unserer Mitarbeiter ist ständig im Außendienst.“

Uwe Mader leitet dieses Servicezentrum. „Wenn irgendwo eine Antenne ausfällt“, erzählt er, „besorgen wir auf der Stelle Ersatzteile und schicken einen Mitarbeiter.“ Noch schnell einen Kaffee trinken gilt dann nicht: „Wir müssen immer in der Lage sein, ein Problem sofort zu beheben, egal wie knifflig – das ist unser Job.“

Erfindungen, die Leben retten

Stuttgart/Ostfildern/Ulm. Oft gibt es im Leben brenzlige Situationen, in denen man einfach einen Schutzengel braucht. Oder ausgeklügelte Technik. Hier ein paar Meilensteine der Sicherheitstechnik aus Baden-Württemberg, die uns täglich den Rücken decken.

Am Airbag forschte Mercedes-Benz seit 1966, nachdem der Münchner Erfinder Walter Linderer die noch unausgereifte Idee zehn Jahre zuvor zum Patent angemeldet hatte. Das erste deutsche Auto mit Airbag war 1981 die S-Klasse von Mercedes-Benz. In Baden-Württemberg werden übrigens auch Airbags produziert – beim Unternehmen Global Safety Textiles mit mehreren Standorten.

Not-Aus-Schaltgeräte wurden in Ostfildern bei Stuttgart erfunden: Das dort ansässige Familienunternehmen Pilz patentierte 1987 das erste solche Schaltgerät zum Schutz von Mensch und Maschine. Die Geräte der Marke Pnoz sind heute weltweit millionenfach im Eisatz und überwachen zum Beispiel Sicherheitsfunktionen wie Schutztüren, Not-Halt und Lichtschranken.

Die frei stehende, fahrbare Drehleiter wurde vor mehr als 140 Jahren vom Ulmer Conrad Dietrich Magirus erfunden. Heute zählt sie zur Grundausrüstung jeder Feuerwehr. Auf die Idee war der Erfinder durch seine Tätigkeit bei der Feuerwehr gekommen. Heute entwickelt und produziert die Magirus-Gruppe mit Hauptsitz in Ulm an vier Standorten Feuerwehrfahrzeuge und Zubehör und stellt immer wieder neue Rekorde auf: Die höchste Drehleiter hat inzwischen eine Arbeitshöhe von 68 Metern.

Das Elektronische Stabilitätssystem (ESP) hat Anton van Zanten, Mitarbeiter des Automobilzulieferers Bosch aus Stuttgart, Ende der 1990er Jahre entwickelt. Dafür wurde er mit dem Erfinderpreis des Europäischen Patentamts ausgezeichnet. Sobald die Sensoren des ESP eine Diskrepanz zwischen der gewünschten und der tatsächlichen Fahrtrichtung erkennen, entschärft das System blitzschnell durch Abbremsen einzelner Räder gefährliche Situationen, wie das Ausbrechen des Hecks. Nach einer Bosch-Studie hat das ESP in 20 Jahren etwa 260.000 Unfälle verhindert und allein in Europa rund 8.500 Leben gerettet.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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