Herborn. Mit gut 140 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von rund 24 Millionen Euro zählt die Herborner Pumpentechnik zum klassischen Mittelstand. Und der hatte 2022 besonders zu leiden unter den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, der Lieferengpässe, Preissteigerungen und vor allem explodierende Kosten für Energie nach sich zog.

Fast alle Unternehmen von hohen Energiekosten betroffen

So zeigte eine Blitzumfrage des Arbeitgeberverbands Hessenmetall, dass fast alle hessischen M+E-Unternehmen (96 Prozent) von den Kostensteigerungen bei Energie und energieintensiven Vorleistungen betroffen sind – etwa jeder achte Betrieb wird dadurch sogar in seiner Existenz bedroht.

Beim aktiv-Besuch im Familienunternehmen Herborner Pumpen erzählten vier Mitarbeitende, darunter Geschäftsführer Wolfram Kuhn, wie das Unternehmen durch das Krisenjahr 2022 kam und welche Maßnahmen dafür getroffen wurden.

„Zeit und Muße bleiben ein frommer Wunsch“

„Wie sich unsere Welt gedreht hat, ist schon heftig. Glücklicherweise haben wir bei Herborner Pumpen in der Vergangenheit viele Weichen gut gestellt. So nutzen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung, um zum Beispiel unsere Prozesse zu optimieren oder auch die Materialbestände und, noch wichtiger, um die Bedarfsentwicklung immer genau im Blick zu behalten.

Das vorausschauende Arbeiten hat uns auch im Hinblick auf die explodierenden Kosten im Energiesektor geholfen. Wir betreiben europaweit die einzige Gießerei, welche unter idealen Bedingungen mit regenerativer Energie betrieben wird. Dies erfolgt dank Photovoltaik-Anlagen und passender Batteriespeichersysteme, die wir kontinuierlich ausbauen. Zudem haben wir unter anderem in neue Schmelzöfen und eine thermische Sandaufbereitung investiert. Das ist gut fürs Klima – wir sparen über 600.000 Kilogramm CO2 pro Jahr ein – und sehr effizient. Aktuell beschäftigen wir uns mit Wasserstoff als weiterem Energieträger. Für die Zukunft wünsche ich mir etwas mehr Muße, damit wir uns weniger gehetzt um die Weiterentwicklung der Firma kümmern können. Aber ich befürchte, das bleibt einfrommer Wunsch.

„Es kommt ständig noch etwas obendrauf“

„Dieses Jahr empfand ich als physisch wie psychisch sehr belastend. Es ist extrem, wie viele Bälle man in der Luft halten muss, und gefühlt kommt ständig noch einer dazu, zum Beispiel neue Auflagen wie das Lieferkettengesetz. Für den Mittelstand ist das alles kaum noch zu leisten und es trifft mich, wenn ein Nachbar, altes Familienunternehmen wie wir, Insolvenz anmelden muss. Wir selbst hatten Glück und ein überraschend gutes Jahr.

Wir versuchen immer, technologisch die Nase vorne zu haben. So entwickeln wir seit über 20 Jahren hocheffiziente Pumpen, was uns jetzt sehr zugute kommt. Dies wird auch vom Staat unterstützt, sodass viele Betreiber, über das ZUG-Programm gefördert, alte Pumpen gegen neue, energiesparende austauschen konnten. Für die Zukunft wird eine wichtige Frage sein, wie viele Bäder bei steigenden Energiepreisen noch betrieben werden können. Deshalb rechnen wir 2023 mit einem Umsatzrückgang. Erschwerend kommt hinzu, dass wir, um lieferfähig zu sein, hohe Lagerbestände aufgebaut haben. Dies musste alles vorfinanziert werden, doch irgendwann sind auch gute Rücklagen aufgebraucht. Das wird die nächste große Herausforderung.

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„Flexibilität hat eine neue Dimension bekommen“

„Flexibilität hat in diesem Jahr eine neue Dimension bekommen. Unsere Pumpen basieren in der Regel auf sogenannten Baukastensystemen, aus denen jede einzelne Pumpe anwendungsbezogen zusammengestellt wird. Das bedeutet auch, dass wir neben einer eigenen Teilevielfalt viele verschiedene Zulieferteile beziehen.

Lieferengpässe, steigende Preise und Zeitverzögerungen waren und sind ein ständiges Thema. Zunehmend trifft uns die Lieferkettenproblematik aber auch umgekehrt: auch unsere Kunden verschieben die Termine, weil auf deren Baustellen ebenfalls Teile oder Arbeitskräfte fehlen. Deshalb sitzen wir inzwischen auf einer Menge fertiger Pumpen, die wir noch nicht in Rechnung stellen können. Das heißt, wir gehen in Vorlage, und das muss ein Unternehmen erst einmal stemmen können. Für uns gehört das aber zum vertrauensvollen und ehrlichen Umgang miteinander.

Dass diese Einstellung ankommt, bestätigten uns die Kunden auf der Interbad in Stuttgart. Mit unserem neuen Messekonzept ‚Biergarten statt klassischer Produktvorstellung‘ trafen wir offenbar den Nerv der Zeit, Menschen einen Ort fürs Zusammensein und der intensiven Kommunikation zu bieten.“

„Wir kaufen, was wir bekommen können“

„In jetzt mehr als 34 Jahren Tätigkeit im Einkauf habe ich so ein Jahr wie 2022 noch nicht erlebt. Es ist extrem, wie viel Aufwand wir betreiben müssen, um alles zu bekommen, egal ob es um Rohstoffe geht, um Motoren oder Kleinteile. Auf manche Sachen muss man Wochen oder sogar Monate warten. Lieferzeiten haben sich immens verlängert, entsprechend muss früher und für einen längeren Zeitraum geplant werden. Oft ergeben sich Kettenreaktionen, weil unsere Lieferanten nicht beliefert werden. Das passiert vor allem, wenn Elektronik im Spiel ist, und die steckt zum Beispiel auch in den Frequenzumrichtern, die wir zukaufen.

Um Abhängigkeiten zu verhindern, setzen wir schon seit vielen Jahren immer auf mehrere Lieferanten für ein Produkt. Wir haben unsere Sicherheitsbestände höher gesetzt und Rahmenverträge mit Zulieferern ausgebaut. Unsere Kennziffern wurden verfeinert, und danach kaufen wir ein. Manchmal was wir bekommen können, aber stets unter Beachtung von Qualität und Preis. Denn die auf breiter Front enorm gestiegenen Preise waren die zweite große Herausforderung für den Einkauf. Alles wird einfach neu überdacht. Flexibilität ist gefragt.“

Herborner Pumpentechnik

Die innovativsten Pumpen der Welt entwickelt die Herborner Pumpentechnik für Schwimmbäder, Schiffe und auch Abwasseranlagen. Neben dem Stammhaus in Herborn gibt es Niederlassungen in Landsberg/Saale und in Dallas, Texas.

  • 1874 von Johann Heinrich Hoffmann in Herborn gegründet, ist das Unternehmen bis heute im Familienbesitz.
  • 140 Beschäftigte, der Umsatz lag 2021 bei rund 24 Millionen Euro.
Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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