Berlin/Köln. Ob spontaner Ausflug oder Geschenke für die Enkel: Deutschlands Ruheständler haben ab 1. Juli deutlich mehr Geld. Dann steigen die Renten um 3,22 Prozent (im Osten um 3,37 Prozent).
Der Zuwachs ist sogar noch etwas größer als zuletzt bei den Arbeitnehmern. 2017 lagen die sozialversicherungspflichtigen Einkommen im Schnitt um 2,93 Prozent (Osten: 3,06) höher als 2016. Das Extra-Plus für die Rentner mag auf den ersten Blick verwundern: Traditionell steigen ja die Renten im Juli so wie im Durchschnitt des Vorjahrs die Löhne.
Deutschland erlebt demografische Pause
Die 21 Millionen Ruheständler profitieren von einem Instrument, das eigentlich für das Gegenteil geschaffen wurde: dem Nachhaltigkeitsfaktor. „Er sorgt dafür, dass die Rente in einer alternden Bevölkerung nicht so stark steigt wie die Löhne“, erklärt Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft. „Damit das System finanzierbar bleibt.“

Derzeit aber, so der Ökonom, erlebt Deutschland „so etwas wie eine demografische Pause“: Die Zahl derer, die aktuell ins Rentenalter kommen, ist etwas kleiner als noch Anfang des Jahrzehnts. Gleichzeitig beschert uns die Rekordbeschäftigung zusätzliche Beitragszahler.
Aber demografisch dreht sich das Bild schon in wenigen Jahren – wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. „Die Baby-Boomer altern aus dem Arbeitsleben“, so Pimpertz. „Dadurch wird sich das rechnerische Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern erheblich verschlechtern.“ Entsprechend werde dann der Nachhaltigkeitsfaktor den Anstieg der Renten bremsen.
Sicherungsniveau soll nicht unter 48 Prozent sinken
Davon unbeeindruckt gibt die Große Koalition zwei Versprechen ab: Das „Sicherungsniveau“, das die (im Einzelfall sehr unterschiedliche) Relation von Rente und früherem Lohn statistisch abbildet, soll von derzeit 48,2 Prozent nicht unter 48 Prozent sinken. Und der Beitragssatz von 18,6 Prozent soll nicht über 20 Prozent steigen.
Für den Rentenexperten Pimpertz ein Muster ohne Wert: „Bis 2021, also bis zur nächsten Bundestagswahl, werden diese Linien bei guter Konjunktur ohnehin gehalten, möglicherweise auch bis 2025.“ Aber: „Für die Zeit danach bleibt die Politik die Antworten schuldig“ (siehe Grafik).
Pimpertz warnt: „Das Zeitfenster zum Gestalten schließt sich. In ein paar Jahren können wir die finanziellen Auswirkungen nur noch verwalten.“ Wenn die Rentenkasse immer höhere Beiträge und Steuerzuschüsse brauche, „droht die Gefahr, dass die nachfolgenden jungen Beitragszahler aus dem solidarischen Zusammenhang aussteigen“.
Selbst die älteren Arbeitnehmer könnten auf die 48 Prozent Versorgungsniveau nicht zählen, weil auch ihnen schwächere Rentenanpassungen drohen. „Private Altersvorsorge ist deshalb wichtiger denn je.“ Auch wenn die ordentliche Rentenerhöhung 2018 einen anderen Eindruck erweckt.