Köln. Der demografische Wandel stellt unsere Gesellschaft vor enorme Herausforderungen – vor allem die Sozialsysteme und die gesetzliche Rente. Gerade hat das Statistische Bundesamt seine neue Bevölkerungsprognose vorgelegt: Demnach wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter bis 2035 um rund 4 bis 6 Millionen (!) sinken und zugleich die Zahl der Menschen ab 67 ähnlich stark steigen. Zudem leben wir im Durchschnitt immer länger. Das alles heißt: Immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentner aufkommen.

Das verunsichert natürlich viele Bürger. Anlass für aktiv, wichtige Fragen zu beantworten.

Wie sicher ist die staatliche Rente?

Die gesetzliche Rente ist sicher, aber sicher ist auch etwas anderes: „Sie alleine wird nicht reichen, um den aus dem Erwerbsleben gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten.“ So sagt es Jochen Pimpertz, Rentenexperte am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Bis 2025 ist das Rentenniveau zwar offiziell festgeschrieben, auf mindestens 48 Prozent. Nach Prognose des jüngsten Rentenversicherungsberichts aus dem Bundesarbeitsministerium wird das Rentenniveau aber schon bis 2032 auf 44,9 Prozent sinken – falls sich politisch gar nichts tun sollte.

Was ist eigentlich das Rentenniveau?

Das „Sicherungsniveau vor Steuern“, im Volksmund Rentenniveau genannt, wird oft ganz falsch verstanden. Aus der Prozentzahl kann man nämlich keine persönliche Rentenhöhe ableiten. Die politisch wichtige Quote wird lediglich für einen bestimmten Modellfall berechnet: Das Rentenniveau vergleicht die Rente eines fiktiven Standardrentners, der 45 Jahre lang exakt durchschnittlich verdient hat, mit dem jeweils aktuellen Durchschnittsverdienst.

Ein Absinken des Niveaus heißt also nicht, dass die ausgezahlten Renten sinken (Rentenkürzungen sind sogar gesetzlich ausgeschlossen). „Im Gegenteil: Wie in der Vergangenheit werden die Renten in Euro und Cent auch künftig steigen – nur eben langsamer als die Löhne“, so Pimpertz.

Wie verlässlich ist die amtliche Renteninfo?

17,9 Jahre – so lange leben Männer schon heute als Rentner

Die meisten Beschäftigten bekommen jährlich die Renteninformation. Sie zeigt nicht nur, wie hoch der Anspruch ist, den man sich bereits erarbeitet hat, sondern sagt auch voraus, wie hoch die persönliche Rente später sein wird – unter der Voraussetzung, dass man bis zum regulären Eintrittsalter weiter so viel verdient wie bisher. Von den genannten Werten muss man aber gedanklich etwa ein Zehntel für die Krankenkasse abziehen – und die Einkommensteuer, die je nach Jahrgang verschieden hoch ist. Immerhin: Die amtlich prognostizierte Rente dürfte ihre Kaufkraft weitgehend behalten (mehr dazu bei aktiv: die persönliche Renteninformation verstehen).

Worum geht es beim Drei-Säulen-Modell?

Die Altersvorsorge in Deutschland steht grundsätzlich auf drei Säulen: der gesetzlichen, der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge. Die Beiträge für die stärkste Säule, die staatliche Rente, tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen.

Zusätzlich vorsorgen mithilfe der Firma – das tun laut Alterssicherungsbericht immerhin sechs von zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Je nach Sparform wird das übrigens auch vom Staat gefördert (hier finden Sie einen aktiv-Bericht über die Entgeltumwandlung).

Rein private Vorsorge wird seit der Rentenreform 2001 ebenfalls kräftig gefördert, etwa mit den staatlichen Zulagen und Steuervorteilen der Riester-Rente. Inzwischen gibt es bundesweit allein 16,5 Millionen Riester-Verträge. Und natürlich sorgt auch für später vor, wer das Eigenheim abbezahlt. Die Faustformel: Alles in allem – also mittels betrieblicher und jedweder privaten Vorsorge – sollte man etwa 10 Prozent vom Bruttogehalt fürs Alter sparen, je nach Haushaltssituation. Immerhin leben Männer ja schon jetzt im Schnitt knapp 18 Jahre als Rentner, Frauen sogar fast 22 Jahre.

Wie hilft der Betrieb bei der Altersvorsorge?

In vielen Branchen haben die Tarifpartner spezielle Vorsorgelösungen im Angebot oder gar eigene Versorgungswerke gegründet. Oft gibt es tarifliche Extras für die Altersvorsorge. So zahlen viele Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie „Altersvorsorgewirksame Leistungen“ (kurz AVWL): monatlich 26,59 Euro. Auch in der Chemie-Industrie beispielsweise gibt es erhebliche tarifliche Extras, die wir in einem eigenen aktiv-Bericht erklären. Nicht wenige Firmen geben da aus freien Stücken etwas obendrauf – oder bieten hauseigene Betriebsrenten an. Laut Alterssicherungsbericht haben knapp 18 Millionen Menschen Anwartschaften auf mindestens eine betriebliche Altersversorgung.

Muss man vor Altersarmut Angst haben?

Nein. „Auch wenn das Rentenniveau sinken wird, müssen sich die meisten Menschen in Deutschland nicht vor Armut im Ruhestand fürchten“, sagt Experte Pimpertz. „Vorausgesetzt, sie sind erwerbstätig und sorgen zusätzlich vor. Dass man das tun muss, ist eben eine bittere Notwendigkeit.“

Stand heute beziehen nur 3 Prozent der über 65-jährigen Sozialhilfe, die „Grundsicherung im Alter“. Dieser Anteil ist übrigens viel geringer als in der Gesamtbevölkerung: Insgesamt benötigen 9 Prozent der Bürger Sozialhilfe.

Wird das Renteneintrittsalter weiter steigen?

Aktuell liegt das Renteneintrittsalter bei 65 Jahren und 8 Monaten. Es steigt weiter schrittweise an und wird ab 2031 bei 67 Jahren liegen, das gilt dann für den Geburtsjahrgang 1964 und alle Jüngeren. Experten reicht das nicht: „Wenn die Lebenserwartung steigt, muss auch das Renteneintrittsalter steigen“, sagt Pimpertz. Das ist ein Thema für die von der Regierung einberufene Rentenkommission. Bis März 2020 soll sie ihr Konzept vorstellen. „Wenn man das Rentensystem dauerhaft stabilisieren will“, so Pimpertz, „darf ein höheres Rentenalter kein Tabu sein.“

Fragen rund um die Altersvorsorge? leserfrage@aktiv-online.de