Velen. Eine Garnspule zu wechseln, ist für Stefan Vahling Routine. Der Maschinenführer in der Spinnerei der Velener Textil wechselt etliche Male pro Schicht die Vorlagekannen an den Maschinen. „Das geht fix. In weniger als einer Minute geht es weiter“, sagt der 50-Jährige.

Alles wie immer. Oder doch nicht? Tatsächlich findet unweit von Vahlings Arbeitsplatz seit einiger Zeit eine kleine Revolution statt. Die Velener sammeln akribisch ihre Garnreste – am Zettelgatter in der Kettherstellung im Weberei-Vorwerk. „Die Reste landen nicht im Müll und werden teuer entsorgt. Sie werden wiederverwertet“, so Geschäftsführer Ernst Grimmelt, der zusammen mit Bernd Spanderen das Familienunternehmen in dritter Generation führt.

Den wertvollen Rohstoff wollte der Spezialist für hochwertige Garne nicht ungenutzt lassen: „Er ist viel zu gut für den Abfall.“ Deshalb entwickelten die Velener 2015 ein Kreislaufsystem - und das funktioniert nicht nur in der eigenen Spinnerei und Weberei.

Die Idee: Gemeinsam mit Kunden in einem Kreislaufsystem arbeiten

„Wir haben ein Sammelverfahren etabliert, mit dem wir Produktionsreste unserer Kunden sammeln“, erklärt der Firmen-Chef. Beim Heimtextilien-Hersteller Wülfing in Borken etwa landen unter anderem Konfektionsreste in den aufgestellten Sammelboxen.

In einer Werkstatt werden dann von Menschen mit Behinderung das Garn und die Hülsen getrennt. Letztere gehen ins Papierrecycling, die Garnreste gelangen wieder nach Velen und werden dort auf den Spinn- und Webmaschinen verarbeitet.

Mittlerweile macht auch der Frottier-Hersteller Dyckhoff in Rheine mit. „Unsere Kunden stehen hinter der Idee“, so Grimmelt. Sie sparen Entsorgungskosten, produzieren nachhaltiger und können sich auf die Qualität verlassen - dank des Kreislaufgedankens.

Perfekt für kuschelige Bettwäsche

Denn es ist möglich, dass die Baumwolle, die schon bei ihnen verarbeitet wurde, als recyceltes Garn wieder zu ihnen zurückkehrt. Die sortenreine Trennung kommt der Qualität des recycelten Garns zugute. Grimmelt: „Es ist so gut, dass wir eine Farbgarantie geben können.“ Der recycelten Baumwolle sieht man ihr Vorleben kaum an. Wegen der kürzeren Faserlänge werden je nach Garnfeinheit Originalbaumwollfasern beigemischt. Das macht die Qualität des sogenannten Wecycled-Garns aus.

Wie viel davon der normalen Baumwolle zugemischt wird, hängt vom Verwendungszweck ab. Bettwäsche etwa enthält 10 bis 15 Prozent. Vorteil: Die kürzere Faser ist raufähiger. Sie sorgt für einen flauschigen Flor. Perfekt für kuschelige Bettwäsche. Das Garn kann auf Strick- wie auf Webmaschinen verarbeitet werden.

In Velen will man den Kreislauf ausbauen. Grimmelt: „Wir sprechen gerade mit weiteren potenziellen Partnern. Sie könnten Produktionsabgänge aus langfaserigen Ringgarnen liefern.“ Die Rückmeldungen der Kunden sind gut, sagt Grimmelt. Nicht nur das: „Viele haben Interesse, sich an dem Kreislauf an den unterschiedlichsten Stellen zu beteiligen.“

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

Alle Beiträge der Autorin