Berlin. Zum Bäcker, in die Kneipe, zur Arbeit – für viele Alltagswege ist das Fahrrad oft das beste Verkehrsmittel. Immer mehr Zweirad-Fans aber ist das nicht genug. Sie verbringen gleich einen ganzen Urlaub im Sattel! Und geben für ihr Hobby dabei auch ganz ordentlich Geld aus!

„Radreisen sind ein absoluter Wachstumsmarkt, und das seit Jahren“, sagt Louise Böhler, Tourismus- expertin beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Berlin. Die Statistik gibt ihr recht: 5,5 Millionen Deutsche absolvierten 2018 eine Radreise mit mindestens drei Übernachtungen. Im Vergleich zum Jahr 2014 stieg die Zahl der Radtouristen damit um fast 40 Prozent. 

Gesucht wird naturnahes Erlebnis mit Action

„Urlaub im Sattel passt einfach gut zu allgemeinen Megatrends wie Gesundheit und Nachhaltigkeit“, nennt ADFC-Frau Böhler Gründe für den Boom. Wer sich in den Sattel schwinge, suche meist ein reales, naturnahes Action-Erlebnis, „losgelöst von all der digitalen Technik, die uns sonst umgibt“.

Längst überholt ist dabei das Image vom „Billigurlaub“ auf zwei Reifen. Immerhin knapp 70 Euro beträgt einer Erhebung zufolge das durchschnittliche Tagesbudget eines Radtouristen. „Im Sattel sitzen meist Menschen mit gutem Einkommen, die Kultur und Küche an der Strecke durchaus schätzen“, so Böhler.

Nach der Strampelei bevorzugt die Mehrheit der Radler am Abend dann auch ein weiches Bett in einem der fast 6.000 „Bett+Bike“-Beherbergungsbetriebe. Spartanisch im Zelt campiert nur noch etwa jeder fünfte Pedalritter.

Beim Zweiradhandel klingeln die Kassen

Angesichts des Runs aufs Rad reiben sich auch Deutschlands Zweiradhändler die Hände. Im vergangenen Jahr verkauften sie rund vier Millionen Fahrräder im Wert von über 3 Milliarden Euro. Auch bei den Zubehör-Herstellern wie dem Packtaschen-Spezialisten Ortlieb klingelt die Kasse. Zwar gibt das Unternehmen prinzipiell keine Umsatzzahlen bekannt. Unlängst ließ man aber immerhin verlauten, die Geschäfte liefen so gut, dass bald eine dritte Produktionsschicht am Standort in Heilsbronn eingeführt werde. „Durch den Boom der E-Bikes wächst die Zielgruppe gewaltig“, sagt Ortlieb-Geschäftsführer Jürgen Siegwarth. Laut ADFC-Zahlen sind inzwischen 23 Prozent der Radreisenden mit einem E-Bike auf der Piste.

Neue Rad-Regionen entstehen dank E-Bikes

Den Rückenwind durch Räder mit Elektromotor spürt auch der Karlsruher Radreise-Anbieter Radissimo. „E-Bikes machen Radurlaube nicht nur für ältere Menschen oder Familien mit Kinderanhänger interessant“, sagt Gründerin Kristine Simonis. Sie würden sogar ganz neue Regionen für den Radtourismus erschließen. „Knackige Anstiege, im Schwarzwald zum Beispiel, waren früher fitten Fahrern vorbehalten. Mit E-Bikes sind sie jetzt für alle fahrbar.“ Auch Reisegruppen griffen heute häufig zum Elektrorad. „Weil es Konditionsunterschiede zwischen den Mitfahrern eliminiert.“

Generell profitiere der Radtourismus dabei vom Trend zum Urlaub im eigenen Land, so die Radissimo-Chefin: „Gerade heimische Fluss- und Seenradwege mit ihrer guten Infrastruktur sind beliebt wie noch nie.“