Der deutsche Schilderwald wird tendenziell nicht kleiner. Rund 500 Verkehrszeichen gibt es laut Alfred Ossendorf, Verbraucherschutzberater und Fahrlehrer beim ADAC Nordrhein. Dazu kommen schier unzählige Kombinationsmöglichkeiten. Und mit der Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung von 2020 werden es noch mehr Schilder. Der ADAC-Experte erklärt die wichtigsten Neuerscheinungen unter den Verkehrszeichen. Von einigen Schildern müssen wir uns aber auch verabschieden. Hier die wichtigsten Änderungen.

Grünpfeil nur für Radfahrer: Sie dürfen hier trotz roter Ampel abbiegen

Die offizielle Bezeichnung dieses Neulings im Schilderwald lautet „Grünpfeilschild mit Beschränkung auf den Radfahrer“. Der grüne Pfeil gehört zu den wenigen Regeln aus der DDR, die nach der Wende übernommen wurden. Nun gibt es auch die Variante nur für Radfahrer. „Nachdem sie gehalten haben und den Querverkehr beobachtet haben, können sie trotz roter Ampel rechts abbiegen“, erklärt Ossendorf.

Beginn einer Fahrradzone: Hier haben Biker Vorrecht beim Verkehr

Bisher ist dieses Schild vor allem in der Variante für Fußgänger bekannt. Nun können Kommunen auch Fahrradzonen einrichten, die ersten Städte planen auch schon eifrig. „Radfahrer genießen Vorrecht, Autofahrer, so sie denn zugelassen sind, müssen sich unterordnen“, erklärt Ossendorf. Die Höchstgeschwindigkeit für den motorisierten Verkehr beträgt 30 Stundenkilometer.

Überholverbot von Zweirädern: Mit der Regel sollen besonders Radfahrer geschützt werden

Der Name dieses Schildes ist sperrig, und auch an seine Bedeutung wird sich der deutsche Kraftfahrer erst gewöhnen müssen. Das herkömmliche Überholverbotsschild – rotes Auto links, schwarzes rechts in einem roten Kreis – verbietet das Überholen eines Autos durch ein anderes. Ein Autofahrer dürfte aber theoretisch ein Motorrad hinter sich lassen. „Es handelt sich nur um das Überholverbot mehrspuriger Fahrzeuge“, erklärt ADAC-Experte Ossendorf.

Jetzt allerdings kann das Überholverbot auch für einspurige Fahrzeuge wie Radfahrer und Motorradfahrer angeordnet werden. „Man will die Zweiradfahrer besser schützen“, so der ADAC-Experte. Der offizielle Titel des Verkehrszeichens lautet anstrengenderweise: „Verbot des Überholens von einspurigen Fahrzeugen für mehrspurige Kraftfahrzeuge und Krafträder mit Beiwagen“. Übrigens: Wenn das Überholen erlaubt ist, dann innerorts nur mit einem Abstand von 1,5 Metern, außerorts mit 2 Metern. Auch dies ist Bestandteil der Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung.

Parkflächen für Lastenräder: Ein absoluter Neuling unter den Verkehrszeichen

Bis vor Kurzem waren diese Verkehrsmittel reine Exoten, mittlerweile sieht man Lastenräder immer häufiger. Ob für den Einkauf oder für den Kindertransport – praktisch sind sie für viele Gelegenheiten, umweltfreundlich obendrein. Mit dem neuen Symbol „Lastenfahrrad“ dürfen Kommunen nun auch eigene Parkflächen und Ladezonen für diese Zweiräder ausweisen.

Parkplätze für Carsharing-Fahrzeuge: Nur professionelle Anbieter dürfen ihre Autos hier parken

Der Umweltgedanke steht auch hinter diesem neuen Piktogramm. Damit können zum Beispiel Parkzonen für Carsharing-Fahrzeuge ausgewiesen werden. Dazu gehört ein entsprechender Ausweis, der hinter die Windschutzscheibe gelegt werden muss. Für privates Carsharing gilt die Regelung jedoch nicht, sondern nur für professionelle Anbieter.

Eine Autobahn für Radfahrer: Hier dürfen sie richtig Gas geben

Radschnellwege sind die Autobahnen für Radfahrer. Temporeiches, behinderungsfreies Vorankommen über große Distanzen heißt hier das Motto. „Das ist eine Art Schnelltrasse, auf der Radfahrer fahren können, ohne mit Querverkehr rechnen zu müssen“, sagt Ossendorf. Nun gibt es auch das passende Verkehrsschild dazu. Denn nicht immer sei es möglich, Radschnellwege auf der Fahrbahn auszuweisen, so die Begründung.

Freie Fahrt fürs voll besetzte Auto: Es darf sogar auf der Busspur fahren

Dieses neue Symbol zeigt ein Auto mit drei Personen nebeneinander. Auch hier erschließt sich der Sinn nicht auf Anhieb. Konkret geht es um Autos, in denen mindestens drei Personen sitzen. Wo dieses Schild steht, können zum Beispiel Spuren, die eigentlich für Busse reserviert sind, auch für gut besetzte Pkw zugelassen werden. „Das steht alles im Sinne der Ökonomie und der Ökologie“, so ADAC-Experte Ossendorf. Sei eine Busspur nicht komplett ausgelastet, nutze sie so mehreren Verkehrsteilnehmern.

Manches ist nicht mehr zeitgemäß: Kein Gartenzaun mehr vor Bahnübergängen

Vom „Gartenzaun“ im roten Dreieck werden wir uns bald verabschieden müssen, es gehört zu den aussterbenden Arten im Schilderwald. In der Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung von 2013 wurde der „beschrankte Bahnübergang“ gestrichen.

Stattdessen wird nun ein Warndreieck mit stilisiertem Zug gezeigt, wahlweise mit dreistreifiger Bake. Wie der Bahnübergang gesichert ist, spielt dabei keine Rolle. Auf eine Beschrankung hinzuweisen sei nicht erforderlich, heißt es in der Begründung des Bundesverkehrsministeriums, „zumal ein solcher Hinweis auch dazu führen kann, durch das Vertrauen auf diese technische Sicherung die gebotene Aufmerksamkeit zu vernachlässigen“. Also weg mit dem Gartenzaun. Gültig bleiben vorhandene Schilder jedoch noch bis zum 31. Oktober 2022.

Keine Zukunft mehr: Die „Richtgeschwindigkeit“

Für das Verkehrszeichen „Richtgeschwindigkeit“ gibt es laut Bundesverkehrsministerium schlicht keinen Bedarf mehr. In der Praxis finde es kaum noch Verwendung. Außerdem bestehe Verwechslungsgefahr mit dem Schild für die „vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit“. Demnach wird auch das blaue Viereck mit weißer Zahl ab November 2022 endgültig aus dem Straßenverkehr verschwinden.

Abschied von einem Unbekannten: „Hinweis auf eine Einbahnstraße“

So richtig bekannt dürfte das Zeichen mit der Nummer 353 ohnehin nicht gewesen sein. Es bedeutet, dass man die Straße nur in eine Richtung befahren kann. In einigen Regionen werde dieser Hinweis auf eine Einbahnstraße nicht oder nur sehr selten verwendet, so das Bundesverkehrsministerium vor ein paar Jahren in seiner Begründung für die Abschaffung: „Daher dürfte das Zeichen 353 vielen Verkehrsteilnehmern überhaupt nicht bekannt sein.“ Also wird auch dieses Schild aus dem Straßenbild verschwinden. In Zukunft soll es nur den weitverbreiteten weißen Pfeil auf blauem Grund mit der Aufschrift „Einbahnstraße“ geben.

„Rechts vor links“: Nicht auf Parkplatz

An Kreuzungen ohne Verkehrsschilder gilt meistens die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“. Auf öffentlichen Parkplätzen kann man sich aber gerade nicht auf diese Regel berufen! Sie spielt keine Rolle, wenn es auf Fahrspuren „ohne eindeutigen Straßencharakter“ zu einem Unfall kommt. Der Bundesgerichtshof erklärt das so: „Die auf einem Parkplatz aufgrund der erforderlichen Rücksichtnahme gebotene geringe Geschwindigkeit erfordert keine strengen, automatisch anwendbaren Vorfahrtsregeln. Der Sicherheit ist es dienlicher, wenn die sich begegnenden Fahrzeuglenker aufeinander Rücksicht nehmen und über die Vorfahrt verständigen müssen.“ (22. 11. 22, VI ZR 344/21)

Tobias Christ
Autor

Nach seinem Germanistik-Studium in Siegen und Köln arbeitete Tobias Christ als Redakteur und Pauschalist bei Tageszeitungen wie der „Siegener Zeitung“ oder dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit schreibt er als freier Journalist Beiträge für Print- oder Onlinemedien. Für aktiv recherchiert er vor allem Ratgeberartikel, etwa rund um die Themen Mobilität und Arbeitsrecht. Privat wandert der Kölner gern oder treibt sich auf Oldtimermessen herum.

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