Rund 70 Prozent der Deutschen interessieren sich grundsätzlich für nachhaltiges Reisen, so eine Studie aus dem Jahr 2017, die von der Universität Lüneburg durchgeführt wurde. Aber nur 7 Prozent haben bei der Auswahl von Reisen wirklich auf Nachhaltigkeit geachtet, und bei gut einem Viertel der Befragten war sie nur ein Punkt unter vielen.

Das liegt womöglich auch daran, dass der Begriff des nachhaltigen Reisens diffus ist und entsprechende Angebote nicht leicht zu finden sind. Aber wer sich umsichtig verhält, kann auch im Urlaub die Umwelt schonen und respektvoll behandeln, ohne deshalb auf Urlaubsfreude verzichten zu müssen, so Petra Thomas, Geschäftsführerin des Verbandes „Forum anders reisen“ in Hamburg.

Nachhaltiger Urlaub: Wer so reist, berücksichtigt ökologische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte

Wer nachhaltig reisen möchte, sollte grundsätzlich auf verschiedene Punkte achten. Thomas definiert nachhaltiges Reisen in vier Dimensionen: So geht es um ökologische Aspekte, soziale und kulturelle Verträglichkeit, wirtschaftliche Fairness und um ein systematisches und kontinuierliches Qualitätsmanagement aller Dimensionen durch die Reiseveranstalter. 

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Nachhaltigkeit auf Reisen: Sie beginnt schon bei der Planung

Zu den ökologischen Aspekten gehört etwa, die Reise möglichst schadstoffarm zu gestalten, also beispielsweise auf das Fliegen zu verzichten, sofern es eine gute Reisealternative gibt. Sozial und wirtschaftlich nachhaltig sind Reisen, wenn unter anderem darauf geachtet wird, dass die Anbieter angemessene Löhne für ihre Angestellten zahlen und oder die heimische Wirtschaft vor Ort weiterentwickelt wird, etwa indem sie mit lokalen Unternehmen und Lieferanten zusammenarbeiten.

Tipp von der Expertin: Besser eine längere Reise als mehrere Kurzurlaube

Nachhaltiges Reisen beginnt mit einer guten Planung. Etwa mit der grundsätzlichen Frage, was man überhaupt erleben möchte. Wer mit einem Wanderurlaub liebäugelt, ist womöglich im Allgäu genauso gut unterwegs wie in den weiter entfernten Pyrenäen. Sodann: Wie viel Zeit hat man zur Verfügung? „Je weiter man weg möchte, desto länger sollte man vor Ort bleiben“, so Thomas. Sie empfiehlt, für Mittelstreckendestinationen eine Woche einzuplanen und für Fernreisen zumindest zwei.

Von einem mehrtägigen Shoppingtrip zur Weihnachtszeit nach New York ist demnach eher abzuraten. Auch die Frage, ob die Urlaubsbeschäftigung mit der angepeilten Destination zusammenpasst, ist zu bedenken.

Steht zum Beispiel Golfen in den Ferien auf dem Plan, sollte dafür kein Golfplatz irgendwo in der Wüste gewählt werden, der nur mit Unmengen von Wasser grün gehalten werden kann, sondern einer, der mit weniger Ressourceneinsatz auskommt. Grundsätzlich ist es sinnvoll, lieber einen längeren Urlaub zu verbringen als mehrere kurze; das spart Reisewege und erhöht zudem den Erholungswert.

Der Umwelt zuliebe: Wer nicht weit reist, sollte Bus oder Bahn nehmen

Für die Anreise gibt Expertin Thomas folgende Faustregel: „Für Distanzen bis 800 Kilometer sollten erdgebundene Verkehrsmittel, etwa Bahn oder Bus, genutzt werden.“ Das Flugzeug ist erst bei Entfernungen von wenigstens 1.000 Kilometern zu wählen. Und wer fliegt, kann als Ausgleich für seinen CO2-Ausstoß über bestimmte Anbieter wie Atmosfair oder Myclimate Kompensationszahlungen vornehmen, die wiederum in Klimaschutzprojekte fließen.

Nachhaltiger Tourismus vor Ort: Öffentliche Verkehrsmittel nutzen, bei lokalen Hotels buchen

Auch vor Ort sollten nach Möglichkeit umweltfreundliche Verkehrsmittel genutzt werden. Statt des Mietwagens also Bahnen, Busse, Taxis oder womöglich auch das Fahrrad. Das steigert zusätzlich den Erlebniswert, weil man unmittelbareren Kontakt zur Umgebung hat.

Auch nachhaltige Unterkünfte bieten Komfort

Bei der Wahl der Unterkunft gibt es ebenfalls einiges zu beachten. „Wer einen nachhaltigen Urlaub verbringen möchte, sollte kleine, inhabergeführte Unterkünfte bevorzugen“, rät Thomas. Dies muss keinen Verzicht auf Komfort bedeuten, weil es auch diese in allen Varianten von einfach bis luxuriös gibt. Doch wer bei lokalen Anbietern mietet statt in den Bettenburgen großer Ferienveranstalter, tut damit auch etwas für die regionale Entwicklung des Urlaubsortes, eben weil das Geld dortbleibt und der einheimischen Bevölkerung nutzt.

Für die Zeit im Urlaub: Regional hergestellte Produkte kaufen, in Restaurants und Cafés vor Ort essen

Vor Ort können Urlauber ebenfalls viel für eine nachhaltige Entwicklung tun. So stützen sie beispielsweise die lokale Infrastruktur, wenn sie dort Restaurants oder Cafés aufsuchen oder als Selbstversorger regional hergestellte Lebensmittel kaufen.

Wer dagegen hauptsächlich in einem All-inclusive-Hotel die Zeit verbringt, fördert kaum die Entwicklung außerhalb. Dasselbe gilt für den Souvenir-Kauf. Auch hier sollte man darauf achten, dass die Andenken aus heimischer Produktion stammen und aus regionalen Materialien hergestellt sind, empfiehlt Petra Thomas. Denn das unterstützt dann wiederum die lokalen Handwerker, auch ein Aspekt nachhaltigen Reisens.

Natur schützen und Ressourcen schonen: Das geht auch mit Kleinigkeiten, ohne auf Erholung zu verzichten

Ganz allgemein sollte man sich im Urlaub ressourcenschonend verhalten. Dazu gehört es, in Mangelwassergebieten im Süden die Handtücher mehrmals zu benutzen, die Duschzeiten kurz zu halten oder Hotels mit großen Poollandschaften zu vermeiden. Bei Ausflügen in die Umgebung bleibt man auf dem Weg, schmeißt keinen Müll weg und zerstört keine Pflanzen.

Spezialisten organisieren nachhaltige Urlaube

Reiseanbieter, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben, sind nicht ganz leicht zu finden, denn „in den großen Portalen ist nachhaltig kein eigenes Suchkriterium“, erklärt Thomas. Etliche Ferienanbieter geben dazu Informationen auf ihren Internetseiten, wer dies nicht tut, hat auch meist kein Nachhaltigkeitskonzept, so die Erfahrung von Thomas.

Mittlerweile gibt es eine Reihe von Veranstaltern, die sich auf nachhaltige Reiseangebote spezialisiert haben. So haben sich beispielsweise im Forum anders reisen rund 130 Anbieter zusammengeschlossen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Auf der Website gibt es auch eine Suchfunktion für entsprechende Urlaubsangebote.

Siegel und Zertifikate kennzeichnen nachhaltige Angebote

Außerdem gibt es eine ganze Reihe von Zertifikaten, die nachhaltige Reiseveranstalter oder Tourismusanbieter auszeichnen. Einige Label gelten weltweit, zum Beispiel Travelife und das EU-Ecolabel, das von der Europäischen Kommission verliehen wird. In Österreich gibt es das Österreichische Umweltzeichen für Tourismus, in Italien das Legambiemte Turismo.

Nachhaltige Angebote in Deutschland können sich nach dem Viabono-Zertifikat qualifizieren, das von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt gegründet wurde. In Skandinavien zeichnet hingegen der Nordic Swan nachhaltige Anbieter aus.

Ausführlichere Infos über gängige Nachhaltigkeits-Labels gibt das forum anders reisen, ein Zusammenschluss von Reiseunternehmen, die sich dem nachhaltigen Tourismus verpflichtet haben, unter:  forumandersreisen.de