Hildesheim. Die große Bühne ist nicht ihr Ding. Viel lieber ist Tanja Augustin zusammen mit ihren Schülern im Chemieraum. Doch wenn es ihrer Sache hilft, übernimmt die Realschullehrerin auch eine Rolle im Rampenlicht: Kürzlich wurde die Lehrerin der Renataschule in Hildesheim von der Stiftung NiedersachsenMetall ausgezeichnet. „Weil sie mit Herzblut dabei ist, wenn sie ihre Schüler für MINT begeistert“ – so lobte Wirtschaftsminister Olaf Lies während der Preisverleihung, bei der insgesamt vier Lehrkräfte geehrt wurden.

Wer Augustin in ihrer Schule besucht, lernt schnell, was der Minister meint. Schon beim Weg in den Chemieraum fallen die zahlreichen „Jugend forscht“-Plaketten auf, die Schüler der Renataschule für ihre Einreichungen gesammelt haben. Augustins Erfolgsrezept im Chemie-Unterricht: Die Schüler selbst experimentieren lassen! Mit Schutzbrille und auf Sicherheitsabstand legen die Nachwuchstüftler im Unterricht Hand an. Es funkt und zischt, wenn sie etwa gemeinsam umweltfreundliche Feuerwerkskörper entwickeln.

Tanja Augustin organisierte in der ersten Corona-Phase Laptops für ihre Schüler

„Chemie kann praktisch und sinnvoll sein“, sagt die Lehrerin. Aber vor allem: kreativ! Auch Wissen will sie auf innovative Weise vermitteln: etwa wenn im schuleigenen Escape-Room der Ausgang nur dann zu finden ist, wenn vorher Chemie-Rätsel gelöst werden.

„Je mehr Schüler selbst machen können, umso eifriger und länger sind sie dabei.“

Tanja Augustin, Chemielehrerin in Hildesheim

In der Begeisterungsfähigkeit der Schüler sieht Augustin eine große Chance. „Je mehr sie selbst machen können, umso eifriger und länger sind sie dabei. Das Thema muss sie irgendwie erreichen, dann brennen sie auch dafür“, sagt die 47-Jährige. Diesen Ansatz verfolgt sie auch mit dem Schulgarten, den sie auf dem Schulgelände ins Leben gerufen hat. Und wenn man ihr dann über die Schulter schaut, wie sie im Unterricht Lego-Roboter programmieren lässt, kommt das Lob der Schüler nicht überraschend: „Einfach cool“ finden die es, wenn die kleinen Fahrzeuge wie von Geisterhand gesteuert losfahren.

Mit ihrer Leidenschaft steckt Augustin auch andere Lehrkräfte an. „Tanja läuft durch den Alltag und schaut ständig, wie Themen, die sie sieht, sich für den Unterricht nutzen lassen. Welche Alltagssituationen ein Aufhänger sind, um Kinder dafür zu begeistern.“ So sagt es Realschul-Kollegin Katia Jalali.

Ins Bild passt das Engagement im ersten Corona-Jahr: Damals half die Preisträgerin den Schülern, Laptops fürs Homeschooling zu bekommen. Viele ihrer Schützlinge stammen aus sozial schwächeren Familien. Seither können sie auf fit gemachten Rechnern lernen, die von Hildesheimer Unternehmern zur Verfügung gestellt wurden.

Jens Riedel lernt in der Freizeit Programmiersprachen

Szenenwechsel zu einem zweiten der vier Preisträger: Gymnasium Nordhorn. Weißes T-Shirt, Turnschuhe, Dreitagebart, Schutzbrille – so steht Jens Riedel im Chemieraum. Der 40-Jährige ist auf den letzten Drücker in der Schule gelandet. „Während ich die Diplomarbeit schrieb, habe ich meine Frau damit überrascht, dass ich Lehrer werden möchte“, sagt er. Die Partnerin wollte es damals nicht glauben. Seine Schüler sind heute dankbar. Riedel selbst sagt: „Großartig. Die Zeit im Unterricht geht so schnell rum, das macht einfach nur Spaß.“

Der Chemie- und Physiklehrer ist nach Meinung der Juroren ein Ausnahmetalent. Nur seinetwegen hat seine Schule nun ein eigenes MINT-Profil für Fünft- und Sechstklässler mit Fokus auf den Naturwissenschaften. Profil bedeutet: Es gibt klare Schwerpunkte im Unterricht und ergänzende Nachmittagsangebote. Nebenbei hat Riedel auch ein „Digital-Studio“ ins Leben gerufen, in dem Kinder außerhalb der Schule programmieren lernen können.

Chemiekurse, Programmier- und Roboterworkshops – die Schüler schätzen Riedels Art, weil er „gut erklärt“ und „es immer schafft, Experimente einzubauen“, wie sie berichten. „Herr Riedel brennt für seinen Beruf, das spürt man täglich“, lobt auch Schulleiter Andreas Langlet. Und wenn man Riedel mal nicht im Klassenraum findet, dann verbringt er Stunden in seinem kleinen Arbeitszimmer (manche nennen es sein „Nerd-Reich“). Hier bereitet er sich mit Schülern auf Wettbewerbe vor, fuchst sich in neue Technik rein und lernt Programmiersprachen.

Selbst nach der feierlichen Preisverleihung im Schloss Herrenhausen in Hannover startete der Lehrer ein kleines Technik-Experiment: Er machte sich mit dem E-Auto auf den Weg zurück ins über 200 Kilometer entfernte Nordhorn. „Mal sehen, ob die Batterie reicht.“

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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