Köln. Hurra, endlich Rentner! So geht es bald vielen. Die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegsgeneration wechseln bald in den Ruhestand. Wenn dagegen junge Leute an ihre Rente denken, herrscht ein ungutes Gefühl vor: Laut einer GFK-Umfrage fürchten 65 Prozent der 18- bis 32-Jährigen, als Rentner später arm zu sein. Ein Grund dafür ist sicher, dass immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren, dem Rentensystem droht der Kollaps. aktiv beleuchtet, was die Politik jetzt anpacken muss.
 

Beitragsempfänger: In den vergangenen Jahren wurden mehrere Reformen umgesetzt, die das monatliche Budget von Rentnern im Durchschnitt vergrößern.
Beitragsempfänger: In den vergangenen Jahren wurden mehrere Reformen umgesetzt, die das monatliche Budget von Rentnern im Durchschnitt vergrößern.

Eine Rechnung vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) macht deutlich, was auf die heutigen Beitragszahler zukommt: Statt wie bisher 18,6 Prozent vom Bruttolohn werden wir (im günstigsten Fall!) bis 2040 mindestens 22 Prozent in die Rentenkasse einzahlen müssen, bis 2060 sogar fast 24 Prozent. Trotzdem aber wird das Rentenniveau sinken, von heute 49 Prozent auf rund 44 Prozent im Jahr 2060, oder noch stärker.

Wir werden alle noch länger arbeiten müssen

„Diese Entwicklung kann tatsächlich dazu führen, dass in Zukunft mehr Menschen armutsgefährdet sind“, sagt Jochen Pimpertz, Rentenexperte am IW. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung könnte bis zum Jahr 2039 schon mehr als ein Fünftel der Rentner von Armut bedroht sein – im Jahr 2019 waren es noch etwa 17 Prozent. Was tun? Rentenexperten und auch der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums sind sich einig: Die Jüngeren müssen künftig länger arbeiten als bis 67. Pimpertz: „Das wäre ein logischer Schritt, schließlich steigt auch die Lebenserwartung.“ Und die Rentner-Phase dauere damit länger – im Jahr 1970 (Westdeutschland) hatten Rentner im Schnitt noch 11 Lebensjahre, im Jahr 2019 schon fast 20 Jahre! Auch in anderen Ländern werde deshalb das Renteneintrittsalter angehoben, schildert Pimpertz: „In den Niederlanden beispielsweise gilt schon heute die Rente mit 67, und die Altersgrenze wandert mit steigender Lebenserwartung weiter nach oben.“ Freilich müssten Gesellschaft und Sozialpartner damit noch intensiver Lösungen schaffen, um die Menschen möglichst lange fit zu halten für den Beruf.

Auch die Rentner angemessen an der Krise beteiligen

Doch die Politik müsse auch an weiteren Stellschrauben drehen, betont Pimpertz. „Es rächt sich jetzt, dass sie im vergangenen Jahrzehnt einige Reformen zugunsten der aktuellen Rentnergeneration umgesetzt hat.“ Zum Beispiel das Privileg des abschlagfreien vorzeitigen Rentenbezugs für besonders langjährige Versicherte. Oder die Mütterrente.

Oder die Rentengarantie, die heutige Senioren davor schützt, dass die Rente sinkt. Etwa in der Corona-Krise, wenn die Erwerbsbevölkerung weniger Einkommen erzielt. Im Zuge dieser Garantie wurde aber auch der Nachholfaktor eingeführt, der dafür sorgt, dass eine vermiedene Rentenkürzung wenigstens durch geringere Erhöhungen in den Folgejahren wieder ausgeglichen wird. Eigentlich! Denn den Nachholfaktor hat die Bundesregierung bis 2025 stillgelegt. Experte Pimpertz: „Es wäre sehr naheliegend, ihn wieder einzuführen.“ Eigentlich klar, denn sonst tragen die Lasten der Corona-Krise, sprich Einkommenseinbußen, die Beschäftigten alleine.

Die Zeit drängt: „Bald holt uns die Entwicklung ein“

Pimpertz regt auch an: „Es ist allerhöchste Zeit, dass wir als Gesellschaft uns fragen, ob die geburtenstarken Jahrgänge nicht auch durch ein sinkendes Rentenniveau an den Kosten der Rente beteiligt werden müssen.“ Immerhin hätten sie das Demografie-Problem ein Stück weit mit verursacht, indem sie selbst nicht für genügend Nachwuchs gesorgt haben.

Die Zeit drängt. In der nächsten Legislaturperiode könne man noch gegensteuern, so Pimpertz „bald aber holt uns die Entwicklung ein“.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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