Düren. „Kann ich auch mal den Pinsel haben und was malen?“ Annemarie Kolloff (66) erinnert sich noch gut an diese Frage. Gestellt wurde sie von einem kleinen Jungen, der damals oft vor ihr stand: Heinrich Spies.

Schon lange ist dieser Junge, dessen Großvater die Firma MAY+SPIES vor 100 Jahren gegründet hat, ihr Chef. Und die Arbeit, bei der der kleine Heinrich damals so gerne helfen wollte, macht Kolloff auch nach über 50 Jahren noch Spaß: das sogenannte Trauerrändern.

„Auf Dutzenden von Trauerkarten oder Kuverts gleichzeitig einen feinen dunklen Strich aufzutragen: Das erfordert viel Geschick – und gelingt perfekt meist erst nach mindestens zwei Jahren Anlernzeit.“ So erzählt es Kolloff beim aktiv-Besuch im Betrieb.

Derart handgeränderte Trauerserien, Karten, Briefe und Kuverts mit dem unverwechselbaren Pinselstrich gehören seit der Gründung des Familienunternehmens zum Sortiment des Premium-Papierverarbeiters. „Sie tragen aber nur noch einen kleinen Teil zum Umsatz bei“, erklärt Firmenchef Spies.

Inzwischen werden auch Privatkunden beliefert

Der promovierte Betriebswirt ist seit 1998 Geschäftsführer. Er wandelte den Dürener Traditionsbetrieb zu einer Firmengruppe um, die heute mit 170 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 30 Millionen Euro macht.

Kerngeschäft sind hochwertige Papiere vorrangig für den europäischen Markt. Neben der Produktion von Briefhüllen und der Veredelung eines umfangreichen Papier- und Kartonsortiments gehören Produkte für Laser- und Inkjet-Drucker sowie Selbstklebeetiketten zum Portfolio.

„Die Etiketten, schon seit den 70er Jahren im Sortiment, sind bis heute ein Wachstumsmarkt für uns“, betont Spies. Unter anderem kommen die bedruckten Etikettenbögen, die Patienten in Krankenhäusern ausweisen, bundesweit fast immer von MAY+SPIES.

Zählten früher ausschließlich Industrie und Handwerk zu den Abnehmern, beliefert man über die eigenen Onlineshops heute auch Privatkunden, die zum Beispiel ihre Einladungen zur Hochzeit oder Geburtsanzeigen selbst gestalten möchten. So werden hier täglich alle möglichen ganz verschiedenen Produkte bestellt – von bunten Aufklebern bis zu schwerem Acryl- oder Ölmalpapier für Künstler.

Die meisten Artikel werden digital bedruckt

Was Spies hervorhebt: „Etwa 80 Prozent der Artikel werden irgendwie und irgendwo digital bedruckt – so profitieren wir von der Digitalisierung.“

Heinrich Spies hat sich übrigens auch ehrenamtlich für die Branche engagiert, von 2008 bis 2016 war er Präsident des Hauptverbands der Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) in Berlin, also des Arbeitgeberverbands. Dafür wurde er vor Kurzem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Und damit setzt sich eine weitere Tradition des Familienbetriebs fort: Auch Spies’ Vater und Großvater haben für ihr großes ehrenamtliches Engagement diesen Orden erhalten.

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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