Köln/Reutlingen. Sie gehören längst zu unserem Alltag: Vliesstoffe. Die textilen Flächen aus geschnittenen Kunst- oder Naturfasern sind etwas Besonderes. Denn sie werden weder gewebt, gewirkt noch gestrickt, sondern auf speziellen Anlagen Lage um Lage aufeinandergeschichtet. Die wirren Fasern verhaken sich dabei zu einem stabilen Vlies.

Und das steckt in vielen Anwendungen: vom praktischen Mikrofasertuch für den Hausputz über schallschluckende Dämmstoffe für Autoinnenräume bis hin zu einer aktuell ganz wichtigen Anwendung – Schutzmasken.

Produktion in Europa: Jährlich sollen fünf Milliarden Schutzmasken hergestellt werden

Besonders in medizinischen Masken verhindern feuchtigkeitsabweisende Vliesstoffe, dass mit Viren kontaminierte feuchte Atemluft durch die Maske dringt – und andersherum Infizierte durch Niesen oder Husten Mitmenschen anstecken.

Die Bundesregierung fördert deshalb mit einem Investitionsprogramm seit Mai dieses Jahres den Aufbau neuer Produktionskapazitäten. „Wir wollen die Kapazitäten für Schutzausrüstung deutlich ausbauen und unsere Importabhängigkeit reduzieren“, so Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bei einem Besuch des Troisdorfer Vliesstoffhersteller Innovatec Anfang Juni. Das Unternehmen hatte aus dem Fördertopf einen Investitionszuschuss von 3,4 Millionen Euro für zwei neue Produktionsanlagen erhalten.

Insgesamt sollen so Kapazitäten für zusätzliche 4.000 Tonnen des begehrten Textils entstehen – zusätzlich zu den gut 1,5 Millionen Tonnen, die bisher von inländischen Herstellern jährlich angeboten werden. Rein rechnerisch könnten daraus fünf Milliarden Schutzmasken pro Jahr entstehen, so Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums.

Die Kapazitätsausweitung käme aber auch anderen Anwendungen zugute. Denn Vliesstoffe bilden nicht nur die Grundlage für Medizin- und Hygienetextilien.

Sie sorgen auch für Bewegung beim Thema Elektromobilität. Ohne Vliesstoffe würden die umweltfreundlichen Gefährte nicht fahren, weil in den Batterien kein Strom fließen könnte. Das ist erst durch Membranen aus Vliesstoff möglich.

„Sie dienen dort als Batterieseparatoren“, erklärt Professor Volker Jehle, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Innovative Vliesstofftechnik an der Hochschule Reutlingen (Baden-Württemberg). Er forscht mittlerweile an superdünnen Separatoren aus Mikroglasfaser. „Je dünner diese Separatoren sind, umso effektiver kann eine Batterie sein“, sagt der Experte.

Viesstoffe aus Carbonfasern ließen sich sogar in Bremsscheiben einarbeiten. Sie sind leichter als herkömmliche Beläge und langlebiger. Nachteil: Noch können sie nicht recycelt werden.

Professor Jehle: „Wir müssen eine Polyesterfaser so herstellen, dass wir sie biologisch abbauen können, ohne dabei die benötigten Eigenschaften zu verringern.“