Troisdorf. FFP2 und FFP3, N95 und N99 – mit professionellem Atemschutz kennt sich Bernd Kunze aus. Die Masken halten Viren dank eines speziellen Vliesstoffs ab: Meltblown. Der besteht aus extrem feinen, schmelzgesponnenen Polymerfasern, bis zu 70 Mal dünner als ein Haar und endlos lang. .

„Nur Meltblown kann kleinste Aerosolpartikel zuverlässig filtern“, sagt Kunze, Geschäftsführer von Reicofil in Troisdorf. Ein weiterer Spezialstoff, der Spinnvlies, sorgt für Festigkeit und weist Flüssigkeiten wie Wasser und Blut ab. Und Reicofil, Tochter des Familienunternehmens Reifenhäuser (1.600  Mitarbeiter, 500  Millionen Euro Umsatz), fertigt die entsprechenden Produktionsanlagen.

Gefragter Anlagenbauer in der Corona-Pandemie

Reicofil ist in diesem Markt weltweit führend. Auf den Maschinen der Firma werden 75 Prozent des Materials für medizinische Schutzkleidung rund um den Globus hergestellt: für Atemschutzmasken, aber auch Kittel und Hauben. Dass medizinische Masken im zweiten Pandemiejahr keine Mangelware mehr sind, liegt auch daran, dass die Troisdorfer unter Hochdruck arbeiten.

„Früher war Meltblown eher ein Nischenprodukt“, erzählt Kunze. Die Vliese werden hauptsächlich für Windeln, Wischtücher und OP-Kleidung gebraucht. Anfang 2020 änderte sich die Lage schlagartig: China, bis dahin der größte und fast der einzige Exporteur von Mund- und Nasen-Schutz, konnte nicht genug liefern.

Plötzlich ging es darum, schnellstmöglich eine Produktion auch in anderen Teilen der Welt aufzubauen. „Wir haben Prozesse so optimiert, dass wir heute viel mehr Anlagen ausliefern können“, so der Firmenchef. Der Betrieb mit 240  Mitarbeitern produziert alle wesentlichen Komponenten selbst: Extruder, Schnecken, Zylinder, Verstrecktürme, Wickler – und vor allem die Düsen und Düsenspitzen, die es erst ermöglichen, die Mikrofasern herzustellen.

Reicofil stellte zeitweise den wichtigen Vliesstoff selber her

Die Reifenhäuser-Gruppe – und damit auch Reicofil – hat die größten privaten Technika der Welt für Vliesstoff- und Folientechnologien. Bis zu zehn Hightech-Anlagen dienen ausschließlich der Forschung und Entwicklung neuer Produkte. Und als zu Beginn der Pandemie Masken und Spezialvliese fehlten, hat Reicofil den knappen Meltblown-Stoff kurzerhand selbst hergestellt. Technikumsmaschinen lieferten zeitweise das Filtermaterial für eine Million Masken pro Tag. Aber nur so lange, bis die Maschinenkunden eigene Kapazitäten aufgebaut hatten.

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

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