Ebersbach an der Fils. Roman Gorovoy hat eine locker-herzliche Art. „Alles gut?“, fragt er einen Mitarbeiter beim Rundgang durch die Produktion mit aktiv. Doch als Geschäftsführer muss er auch hart kalkulieren. Um die Arbeitsplätze zu erhalten, bei Electrostar in Ebersbach. Als er sieht, dass ein Kollege nichts zu tun hat, weil die Saugerproduktion stockt, forscht er sofort nach: „Passiert das öfter? Wo hakt es?“

Das Unternehmen hat Industriegeschichte geschrieben. Etwa 1924 mit dem ersten Warmluft-Handtrockner, der aus öffentlichen Toiletten heute nicht mehr wegzudenken ist. Später kam die erste schnelldrehende Küchenmaschine. Inzwischen fertigt Electrostar neben Händetrocknern vor allem Industriesauger und Kehrmaschinen für Profis.

Doch in Deutschland zu produzieren, das ist schwierig geworden: „Unsere Preise sind zwangsläufig höher als die vieler Wettbewerber“, schildert Gorovoy. „Wir können daher nur mit Produkten bestehen, die in Qualität und Leistung erstklassig sind.“

Rechnung für Gas und Strom – vervierfacht!

Elektrostar hat auch ein Werk in China. Dort werden individuelle Produkte gefertigt, die das Unternehmen für Händetrockner anderer Hersteller entwickelt und zuliefert. „In diesem Auftragsgeschäft werden von uns Preise erwartet, die wir in Deutschland nicht erreichen können“, schildert Gorovoy. „Daher bauen wir unser Werk in Schanghai jetzt weiter aus, und planen auch einen Standort in Tschechien.“

„Wir spielen Krisenszenarien durch, um auf alles gefasst zu sein.“

Roman Gorovoy, Geschäftsführer von Electrostar

Zum ohnehin hohen Kostendruck kam die Krise: Energiepreisexplosion, Rohstoffknappheit, Rezession. „Wir müssen jede Möglichkeit nutzen, noch effizienter zu werden“, sagt Gorovoy. „Ich sehe das auch als Chance.“ Bestimmte Probleme können der 40-Jährige und die Belegschaft allerdings nicht ändern. „Strom und Gas kosteten uns vor der Energiekrise rund 20.000 Euro im Monat, jetzt knapp 80.000 Euro. Das ist ein Riesenproblem.“ Dazu kämen enorme Preissteigerungen bei den Rohteilen. In diesem Jahr bleibe kaum Rendite übrig.

Die Aufträge gehen zurück

Und jetzt gehen auch noch die Aufträge zurück, weil Kunden krisenbedingt weniger investieren. „Wir haben eine um 50 Prozent geringere Auftragsvorschau als vor einem Jahr“, bilanziert der Firmenchef. Bittere Folge: Er musste seine Belegschaft jetzt in Kurzarbeit schicken.

Herausforderungen ist der Mann gewohnt. Als Gorovoy 2007 die Geschäfte übernahm, stand das Unternehmen kurz vor der Insolvenz. Zuletzt ist es gewachsen und internationaler geworden, unter anderem durch die Fusion mit dem Kehrmaschinen-Hersteller Haaga 2020 und mit dem Reinigungsspezialisten Producteers 2021.

Wenn man zukunftsfähig bleiben wolle, sagt Gorovoy, gehe es um viel mehr als nur um Prozessorganisation. Es klingt fast, als spräche da ein Psychologe: „Wir müssen uns ständig hinterfragen und unsere Komfortzone verlassen, um uns überhaupt verbessern zu können.“ Als Firmenchef sei man da Mentor der Mitarbeiter: „Man muss ihnen Mut machen zur Veränderung, und ein offenes Ohr haben für ihre Sorgen.“

Innovative Lösungen für Akku-Tools

Zur Veränderung gehört auch die Expansion in Tschechien. „Die Energiekosten sind da um die Hälfte niedriger, die Personalkosten auch“, erklärt Gorovoy. Die rund 220 Arbeitsplätze in Ebersbach sollen aber erhalten bleiben. Hier werden künftig weniger Modelle produziert, dafür effizienter. Auch Kernbereiche wie die Entwicklung bleiben in der Heimat.

Auf ihre Innovationen sind Chef und Belegschaft stolz. Es gibt da zum Beispiel einen Akkusauger mit der gleichen Saugleistung wie ein Netzgerät. Und eine neue Lösung, um Akku-Tools kabellos zu koppeln: Der Akku-Sauger spürt per Sensor, wenn zum Beispiel ein Bohrer anläuft, und beginnt automatisch mit dem Aufsaugen der Späne.

Flexibler geworden ist die Belegschaft schon. Jetzt legt sie in Sachen Agilität noch einen Zahn zu. „Wir spielen Szenarien durch“, erklärt Gorovoy. „Etwa: Wie reagieren wir, wenn die Umsätze noch viel weiter sinken?“ In diesen unsicheren Zeiten müsse man sich auf alles gefasst machen, um als Industrieunternehmen bestehen zu können.

Starmix: Eine berühmte Marke

Im Jahr 1921 gründete Robert Schöttle das Unternehmen Electrostar, als „Fabrik für Staubsauger und Gebläse“.

Eine seiner Erfindungen war 1924 der weltweit erste Warmluft-Händetrockner.

Der Starmix war dann die erste schnelldrehende Küchenmaschine – und in den 1950er Jahren weltberühmt: ein Symbol des deutschen Wirtschaftswunders.

Starmix: Kurzer Einblick in das Unternehmen

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Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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