Berlin. Ob im Supermarkt, beim Tanken oder im Café – ein Leben ohne Geldscheine und Münzen wird für immer mehr Menschen denkbar. Das zeigt insbesondere die Coronakrise. Mittlerweile liegt der Anteil der kontaktlos abgewickelten Girocard-Transaktionen bei rund 50 Prozent, so aktuelle Schätzungen des Bundesverbands deutscher Banken. Ende 2019 lag er noch bei 35 Prozent.
Kein Bargeld mehr in der Hand, das macht wegen Corona diese Zahlweise attraktiv
Der Vorteil dieser Bezahlweise liegt auf der Hand: Kunden müssen besonders in der aktuellen Situation keine Scheine und Münzen mehr anfassen. Das Bezahlen per Karte oder Mobiltelefon übernimmt die NFC-Bezahltechnik. Dabei funkt ein Chip in der Geldkarte oder im Smartphone die erforderlichen Daten. Hält man ihn mit wenigen Zentimetern Entfernung an den Kassenscanner, übernimmt er den Bezahlvorgang.
Man sieht es jetzt in vielen Geschäften: Die Akzeptanz fürs kontaktlose Bezahlen steigt
Julian Grigo, Experte für Banking und Finance beim Digitalverband Bitkom hält diese Art des Bezahlens im Vorbeigehen in vielerlei Hinsicht dem Bargeld überlegen. Und er macht in der jetzigen Corona-Situation einen Lerneffekt bei den Nutzern aus. „Die Leute sehen jetzt in den Geschäften, dass viele Kunden kontaktlos bezahlen und interessieren sich plötzlich auch für das Thema", erklärt Grigo. Die Akzeptanz steigt also.
Banken erhöhen das Limit jetzt schrittweise in ganz Deutschland
Und die Kreditwirtschaft reagiert darauf. Mittlerweile haben sich die Grenzen für den kontaktlosen Zahlungsverkehr, bei dem ohne Eingabe einer Pin gezahlt werden kann, erhöht. Coronabedingt wurde etwa Anfang April die Grenze für solche Zahlungen per Girocard auf 50 Euro erhöht. Diese Grenze galt zunächst bei Händlern in Hamburg, Kassel, Frankfurt und München – und soll über die nächsten Wochen und Monate auf das ganze Land ausgeweitet werden.
Kunden, die so zahlen, müssen einige Einschränkungen beachten
Wer unter diesem Betrag bleibt, braucht keine Pin einzugeben, muss sich allerdings spätestens nach fünf Transaktionen oder einer Gesamtsumme von 150 Euro erneut aus Sicherheitsgründen über die Pin identifizieren. Bei Kreditkarten können diese Höchstgrenzen je nach Anbieter variieren.
Mittlerweile sind 75 Millionen von insgesamt 100 Millionen Girokarten mit dem Funk-Chip ausgestattet. Sie können an mehr als 80.000 NFC-fähigen Kassen in Supermärkten, Discountern und Warenhäusern genutzt werden.
Nächste Stufe des kontaktlosen Bezahlens: Die Wallet-App auf dem Smartphone
Aber auch diese Karten könnten überflüssig werden, wenn das Smartphone zur Brieftasche wird. Die Kontodaten sind dann in einer „Wallet-App“ auf dem Handy gespeichert, einer digitalen Börse.
Der Datentransfer geschieht ebenfalls per Funk. Grigo: „Diese Bezahlmethode bietet noch mehr Sicherheit aufgrund der Verschlüsselung auf dem Smartphone.“ Ein Krimineller müsse nicht nur die Smartphone-Sperre, sondern zusätzlich die Verschlüsselung der entsprechenden Bezahl-App knacken, um an die dort hinterlegten Kartendaten zu kommen. Das sei in der Praxis ein schwieriges Unterfangen, meint der Bitkom-Experte.
Wer besonders auf Nummer sicher gehen will: Karte in eine Abschirmhülle stecken
Und wenn Daten direkt beim Übermitteln abgefangen werden? Technisch möglich wäre das. Grigo gibt dennoch Entwarnung. Der Chip funke keine persönlichen Daten. Und die geringe Reichweite des Signals verhindere ein Bezahlen aus Versehen.
Wer skeptisch bleibt, kann seine neue Giro- oder Kreditkarte günstig schützen: Einfach in eine speziell beschichtete Abschirmhülle stecken. Die stellen manche Banken kostenlos zur Verfügung.
Anteil an Bargeld-Transaktionen wird weiter sinken
Aber auch solche Bedenken werden wohl die rasante Entwicklung zum bargeldlosen Bezahlen nicht aufhalten. Auch in Deutschland nicht, wo noch 2019 der Bargeld-Anteil nach Umsatz bei 47 Prozent lag, so Daten der Beratungsfirma Oliver Wyman in Düsseldorf in einer aktuellen Studie. Dieser könnte nach Prognosen der Zahlungsexperten bis 2025 auf 32 Prozent fallen.
Bitkom-Mann Grigo sieht das ebenfalls so. „Ich denke, wir werden eine ähnliche Entwicklung sehen wie etwa in Schweden. Nur mit ein paar Jahren Verzug."
In dem skandinavischen Land ist der Verzicht auf Bargeld heute schon größtenteils Wirklichkeit. Bis 2030 soll dort komplett auf bargeldloses Bezahlen umgestellt werden.