München. Lange Zeit kannte der Absatz in der Automobil-Industrie nur eine Richtung: nach oben! In Bayern ist die Branche Zugpferd, steht für Fortschritt, Wohlstand, sichere Arbeitsplätze. Jetzt sind dagegen Sparprogramme, vielerorts mit Stellenabbau, an der Tagesordnung. Das Corona-Jahr 2020 hat den Autobau arg gebeutelt. In Deutschland etwa wurden so wenige Neufahrzeuge zugelassen wie seit zehn Jahren nicht. Die Zahl schrumpfte laut Kraftfahrt-Bundesamt um fast ein Fünftel.

Eine ganze Branche ist im Umbruch – und das nicht erst seit gestern. Die Pandemie und der Wandel in der Antriebstechnologie belasten Hersteller und Zulieferer doppelt. Selbst wenn im Frühjahr ein Aufschwung kommt, wird es dauern, bis die Verluste wieder wettgemacht sind und alles auf soliden Beinen steht.

Thomas Puls, Experte für Verkehr und Infrastruktur am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, fasst die Lage so zusammen: „Die Pandemie hat in einem denkbar ungünstigen Moment zugeschlagen“, sagt der Autor in einer aktuellen Studie zur deutschen Automobil-Industrie. „Sie traf auf eine Branche, die bereits in einem tiefgreifenden Transformationsprozess steckte.“

Denn zwei Dinge schwächten die Ertragskraft der Unternehmen bereits vor dem weltweiten Ausbruch von Sars-CoV-2. Zum einen schrumpft seit geraumer Zeit der globale Automobilmarkt. Die Folge: Überkapazitäten und Gewinnrückgänge bei den Herstellern. Selbst große Zulieferer kämpfen mit Verlusten, die kleineren unter ihnen standen und stehen aktuell noch stärker unter Druck.

Denn zur wirtschaftlichen Schwäche tritt der Technologiewandel im Antriebsstrang. Auch das ist eine gewaltige Aufgabe für die Branche.

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Die Unsicherheit der Verbraucher aufgrund von Corona drückt weiter auf die Nachfrage nach Autos

Die Betriebe sind gezwungen, massiv in Elektrifizierung und neue Antriebsformen zu investieren – ohne dass hier zunächst eine sichere Rendite zu erwarten ist. Für viele mittelständische Zulieferer aus der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie bedeutet der Umschwung aber noch viel mehr. Firmen, die sich bisher auf Komponenten für Verbrennungsmotoren spezialisiert haben, müssen sich quasi neu erfinden. Dafür brauchen sie Kapital, und das ist in der Krise knapp.

Den Lockdown im Frühjahr mit Stillstand an den Bändern haben die Betriebe und ihre Mitarbeiter unter großen Anstrengungen überwunden. Doch die Unsicherheit der Verbraucher drückt weiter auf die Nachfrage.

So lieferte der Hersteller Audi gegenüber dem Vorjahr 8,3 Prozent weniger Autos aus. Auch in der BMW Group ging der Absatz verglichen mit dem Vorjahr um 8,4 Prozent zurück. Einziger Lichtblick ist China, wo die Wirtschaft wieder läuft und beide Hersteller zum Jahresende hin ein Plus vermeldeten.

Insgesamt bleibt die Auslastung der wieder hochgefahrenen Montagewerke jedoch schwach. Prognosen gehen für Europa von einem Wert von etwas über 60 Prozent aus. „Deutlich zu wenig, um ein Automobilwerk profitabel betreiben zu können“, so Experte Puls. Trotz der schwierigen Lage muss investiert werden, um die Transformation zu schaffen. Das gelingt, wenn die Automobil- und Zuliefererindustrie bei der Kostenentwicklung wettbewerbsfähig ist. Dreistellige Millionenbeträge fließen etwa bei BMW in die Entwicklung und Fertigung von Fahrzeugen für klimafreundliche Mobilität.

Im BMW-Werk Regensburg entstehen Antriebskomponenten für elektrifizierte Fahrzeuge

In Dingolfing in Niederbayern, seinem größten Fertigungsstandort in Europa, eröffnete der Autobauer jüngst ein Kompetenzzentrum für E-Antriebe. Auf acht Produktionslinien entstehen Batteriemodule, Hochvoltbatterien sowie E-Motoren. 500 Millionen Euro nimmt er dafür in die Hand. Auch im Werk Regensburg beginnt das E-Zeitalter. Ab diesem Jahr entstehen dort Antriebskomponenten für elektrifizierte Fahrzeuge.

Rund 150 Millionen Euro steckt der Hersteller in den Standort, um elektrifizierte Fahrzeuge mit Batterien auszustatten. Bis 2030 soll die Hälfte der in Europa verkauften Wagen der Marke einen E-Antrieb besitzen.

Audi geht ebenso in Vorleistung für vernetzte wie nachhaltige Mobilität. 35 Milliarden Euro stehen im Plan für die kommenden fünf Jahre. Knapp die Hälfte fließt in Zukunftstechnologien wie Elektromobilität, Hybride und Digitales. „Mit den geplanten Vorleistungen bleiben auch die deutschen Standorte durchweg wettbewerbs- und zukunftsfähig“, so die VW-Tochter. Bis 2025 soll ein E-Portfolio mit 30 Modellen parat stehen.

Die Zulieferer müssen da mit. ZF richtet seine Kapazitäten auf eine weltweit geringere Fahrzeugproduktion und Technologiewandel aus. Der Hersteller von Antriebs- und Fahrwerktechnik fasst die bisherige Pkw-Antriebstechnik in einer neuen Division mit E-Mobilität zusammen. Statt auf Komponenten nur für Verbrenner setzt er auf Hybride und Stromer – nebst Software, die in zukünftigen Autos zwischen Betriebssystem und Elektronik vermittelt.

Egal, wohin man in der Branche blickt, am Wandel führt kein Weg vorbei. Er ist in vollem Gang und wird den Standort verändern. Zum Positiven, wenn die Kosten stimmen und in den Umbau weiter ausreichend investiert werden kann.

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Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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