Düsseldorf. Erst kam das Corona-Virus. Dann wurden Chips Mangelware. Und schließlich noch Russlands Krieg in der Ukraine: Eine Krise nach der anderen beutelt die deutsche Wirtschaft – die sich doch eigentlich um teure Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Dekarbonisierung kümmern wollte.

Wie ernst die Lage in der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektro-Industrie deshalb inzwischen ist, das verdeutlicht eine Umfrage des Arbeitgeberverbands Metall NRW vom Juni. Geantwortet haben rund 360 Unternehmen, die 122.000 Menschen beschäftigen. Ein besonders alarmierendes Ergebnis: Fast jeder vierte Betrieb sieht sich laut Verband „angesichts angespannter Lieferketten, exorbitanter Preissteigerungen und eingeschränkter Produktionsabläufe wirtschaftlich gefährdet“.

Umfrage zeigt: Investitionen werden zurückgefahren, Personalabbau ist wieder Thema

Wie Johannes Pöttering erklärt, der Hauptgeschäftsführer des Verbands, leiden die Firmen vor allem unter den extrem gestiegenen Preisen für Energie, Rohstoffe und Vorprodukte. Acht von zehn Betrieben sehen sich derzeit „substanziell“ davon betroffen. Und die entsprechend höheren Kosten können die meisten Betriebe nicht mal eben so an die eigenen Kunden durchreichen – logische Folge: 88 Prozent erwarten einen Rückgang des Gewinns. Mit einem sinkenden Umsatz rechnen 64 Prozent.

Viel Sand im Getriebe: Die Metall- und Elektro-Industrie muss mit mehreren Krisen zugleich kämpfen.

Mehr als zwei Drittel der Firmen hätten denn auch angekündigt, geplante Investitionsvorhaben zu reduzieren, heißt es weiter. Fast jede vierte Firma werde wohl bei Forschung und Entwicklung sparen. „Beides wird manchen Betrieb mit Blick auf die Bewältigung der Transformation notgedrungen erheblich zurückwerfen“, macht Pöttering klar. Und schon jetzt ist Personalabbau für etwa jedes vierte M+E-Unternehmen in NRW ein Thema.

Bei einem Gas-Stopp droht Stillstand in vielen Metall- und Elektro-Betrieben

Es könnte noch schlimmer kommen: bei einem möglichen Stopp russischer Gaslieferungen. Auch, weil zum Beispiel Vorleistungen vom Gas abhängen – oder aber die eigenen Kunden mit Gas produzieren. „Dass jedes vierte Unternehmen bei einem Gas-Stopp mit einem kompletten Produktionsstillstand und jeder zweite Betrieb mit substanziellen Auswirkungen rechnet, ist ein Alarmsignal“, so Pöttering.

Was man dazu noch wissen sollte: Anfang 2022, also vor Russlands Einmarsch in die Ukraine, lag die Produktion der deutschen Metall- und Elektro-Industrie insgesamt ein Siebtel unter (!) dem 2018 erreichten Niveau. Über diesen Produktionsrückgang hat aktiv schon ausführlich berichtet, den Artikel kann man auf aktiv-online nachlesen.

Immerhin: Die Auftragslage ist derzeit noch recht gut. Aber Pöttering macht klar: „Die vielen Bestellungen nutzen gar nichts, wenn Rohstoffe, Materialien und Vorprodukte verspätet, in viel geringerem Umfang, dazu zu exorbitant gestiegenen Preisen oder schlimmstenfalls gar nicht ankommen.“

Alarmsignale aus den Metall- und Elektro-Betrieben

Der Arbeitgeberverband Metall NRW hat seine Mitgliedsunternehmen gefragt, wie sie die eigene wirtschaftliche Lage einschätzen. An der Verbandsumfrage im Juni beteiligten sich rund 360 Betriebe, die zusammen rund 122.000 Menschen beschäftigten. Wichtige Ergebnisse:

  • 24 Prozent der Unternehmen sehen sich selbst „wirtschaftlich gefährdet“.
  • 48 Prozent der Metall- und Elektro-Unternehmen in NRW fürchten um ihre globale Wettbewerbsfähigkeit.
  • 71 Prozent der Betriebe müssen geplante Investitionen reduzieren oder verschieben.
  • 2 Prozent – also nur sehr wenige Firmen – können höhere Preise vollständig an ihre Kunden weitergeben.
  • 25 Prozent würden auf einen Gas-Stopp mit komplettem Stillstand der Produktion reagieren.
  • 28 Prozent der Unternehmen sind von substanziellen Produktionseinschränkungen betroffen (oder rechnen damit für 2022).
Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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