Brüssel/Köln. Europa will Vorreiter beim Klimaschutz werden: Um mindestens 55 Prozent soll der Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) bis 2030 gegenüber dem Jahr 1990 sinken. Eine zentrale Rolle spielt der Verkehr. Er verursacht fast 30 Prozent der Emissionen.

Wie der CO2-Ausstoß bei Autos, Zügen, Schiffen und Flugzeugen heruntergefahren werden soll, steht im neuen Strategieplan der Europäischen Kommission für eine „nachhaltige und intelligente Mobilität“. Einiges liest sich wie eine Vision: Dies gilt vor allem für völlig neuartige emissionsfreie Flugzeuge. Konkreter wird das 24-Seiten-Papier bei Straße und Schiene, dem Rückgrat des innereuropäischen Verkehrs. Deshalb konzentriert sich der aktiv-Faktencheck auf diese beiden Verkehrsträger. 

30 Millionen abgasfreie Autos: „Das ist ein ehrgeiziges Ziel, kann aber bis 2030 gelingen – wenn die Kunden mitspielen“, sagt Thomas Puls, Verkehrsexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Allein in Deutschland sollen laut „Nationaler Plattform Zukunft der Mobilität“ in knapp zehn Jahren sieben bis zehn Millionen E-Autos zugelassen sein.

199.825 Ladepunkte gab es 2019 EU-weit, die meisten in Holland

Und in der Tat nehmen solche Pkws immer mehr Fahrt auf: Wurden 2014 in der EU nur 37.000 Stromer zugelassen, waren es 2019 bereits 291.000. Allein im dritten Quartal 2020 wurden laut Verband der Europäischen Automobilhersteller 135.461 batterieelektrische Pkws zugelassen, 132 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. „Die staatlichen Förderprogramme entfalten ihre Wirkung“, so Puls.

Mangelnde Infrastruktur dürfte ehrgeizige Pläne ausbremsen

Doch der E-Mobilität droht ein Kurzschluss: Es gibt zu wenige Ladepunkte. Allein in Deutschland sind bis 2030 rund eine Million Ladesäulen nötig. Um das zu schaffen, müssten pro Woche gut 2.000 neue öffentliche Ladepunkte hinzukommen. Aktuell sind es wöchentlich nur 200. Auch EU-weit hapert es. Nur knapp 200.000 Stationen weist die EU-Statistik für 2019 auf – davon allein 25 Prozent in den Niederlanden. Deutschland kommt auf 20 Prozent, Spanien gerade mal auf knapp 3 Prozent. Puls: „Die Ladeinfrastruktur ist ein großer Knackpunkt.“

50 Prozent mehr Schienengüterverkehr: Österreich und die Schweiz haben da seit 1990 um 80 beziehungsweise 31 Prozent zugelegt, die Niederlande haben den Gütertransport per Zug gar verdoppelt. Deutschland kommt auf plus 23 Prozent. In Frankreich hingegen schrumpfte der Güterverkehr um 39 Prozent, in Belgien um 13 Prozent. „Man kann den Hebel nicht so schnell umlegen“, so IW-Experte Puls. Auf vielen Strecken fahre man an der Kapazitätsgrenze. Und zusätzliche Strecken bis 2030 zu bauen, sei mit heutigem Planungstempo „illusorisch“.

Doppelt so viele Hochgeschwindigkeitszüge: Hier scheitere der Plan auch an unterschiedlichen Signal- und Stromsystemen – ein Hindernis für schnelle internationale Verbindungen. Puls: „Deshalb bin ich skeptisch, ob die Schiene wie gewünscht an Bedeutung gewinnen wird.“