Berlin. Spekulieren: Das ist doch nur was für Profis, und nur diese müssen dann auch Spekulationssteuer zahlen, oder? Falsch!

„Auch bei Privatpersonen ist der Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft im Prinzip steuerpflichtig.“ So sagt es Erich Nöll, Geschäftsführer des Bundesverbands Lohnsteuerhilfevereine in Berlin. Letztlich gelten dann aber doch recht unterschiedliche Regeln – je nachdem, um welche Sache es eigentlich geht. aktiv gibt einen Überblick.

Für Immobilien gilt eine andere Spekulationsfrist als zum Beispiel für Goldmünzen

  • Immobilien: Wer eine Immobilie, also Haus, Wohnung oder Grundstück, innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb wieder verkauft, muss einen dabei erzielten Gewinn in der Steuererklärung angeben. Wichtige Ausnahme: Der Eigentümer hat das Haus oder die Wohnung entweder die gesamte Zeit „ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt“ oder aber zumindest im Jahr des Verkaufs und in den vorangegangenen beiden Jahren selbst bewohnt – dann bleibt der Gewinn steuerfrei. „Ansonsten wird er mit dem jeweiligen persönlichen Steuersatz versteuert“, sagt Nöll. Wird eine Immobilie länger als zehn Jahre gehalten, ist der Verkäufer steuerlich aus dem Schneider: Jedweden Gewinn darf dann er komplett einstreichen. „Als Stichtag für die Spekulationsfrist gilt das Datum des Notarvertrags“, betont der Experte. Wenn man eine Immobilie erbt, beginnt diese Zehn-Jahres-Frist schon mit dem Tag des Erwerbs durch den Verstorbenen. Das heißt, ein Erbe kann die geerbte Immobilie in den meisten Fällen direkt steuerfrei verkaufen. Das betrifft aber nur die Spekulationssteuer! Ob trotzdem Erbschaftsteuer anfällt, hängt von anderen Punkten ab, die wir hier auf aktiv-online.de in einem Ratgeber zur Erbschaftsteuer erklären.
  • Gold, Fremdwährungen, Krypto-Assets. Wer privat ab und zu mit Münzen, Edelmetallen, Währungen oder Krypto-Assets handelt, muss einen Gewinn hieraus ebenfalls mit dem jeweiligen persönlichen Steuersatz versteuern. Die Spekulationsfrist beträgt da aber nur ein Jahr, wie Experte Nöll erklärt: „Entscheidend ist das jeweils im Kaufvertrag genannte Datum.“ Bei längerer Haltedauer ist der Verkauf dann steuerfrei. Das gilt übrigens auch für das sogenannte Xetra-Gold, ein Wertpapier, das steuerrechtlich wie physisches Gold eingeordnet wird. Speziell für Kryptowährungen hat der Bundesfinanzhof inzwischen einige Vorgaben gemacht. Laut seinem Grundsatzurteil sind „technische Details virtueller Währungen nicht von Bedeutung“ (14.2.23, IX R 3/22). Als steuerliche Anschaffung solcher Assets gilt, „wenn sie im Tausch gegen Euro, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden“, als steuerliche Veräußerung gilt der Tausch in Euro oder in eine Fremdwährung „oder in andere Currency Token“.
  • Oldtimer, Kunstgegenstände, Schmuck. Für die Einkünfte aus den Verkäufen solcher Gegegenstände gilt ebenfalls die nur einjährige Spekulationsfrist.
    Kleine Erleichterung: Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften müssen erst dann angegeben werden, wenn sie die Freigrenze von 600 Euro pro Person und Jahr übersteigen. „Bleibt der Gewinn darunter, ist er steuerfrei“, sagt Nöll, „übersteigt der Gewinn aber diesen Betrag, ist er komplett steuerpflichtig.“ Dies gilt bei Verheirateten für jeden Partner getrennt.
  • Wertpapiere. Seit 2009 sind alle Gewinne aus Aktien oder Anleihen – unabhängig von der Haltedauer! – als Kapitaleinkünfte zu versteuern: „Auf Zinsen und Dividenden fallen 25 Prozent Abgeltungsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer an“, sagt Nöll. Steuerfrei bleiben solche Einkünfte bis zum Sparerpauschbetrag in Höhe von 1.000 Euro pro Jahr für Ledige beziehungsweise 2.000 Euro für Ehepaare. Kassiert also ein Single Dividenden in Höhe von 1.200 Euro, muss er 200 Euro versteuern.
  • Wertpapiere, die schon vor 2009 im Depot waren, können auch jetzt noch steuerfrei verkauft werden, hier gilt Bestandsschutz. Erbt man vor 2009 gekaufte Aktien oder Anleihen, bleibt der Gewinn ebenfalls steuerfrei – auch, wenn man diese Wertpapiere erst viele Jahre später verkauft.

Leserfrage: Wie ist die Spekulationsfrist beim Eigenheim?

Alfred S. aus Oerlenbach: Sie haben berichtet, dass ein Gewinn steuerfrei bleibt, wenn der Eigentümer wenigstens drei Jahre in der selbst genutzten Immobilie gewohnt hat. Mein Sohn hat 2018 gekauft, eingezogen ist er 2019. Wann sind die drei Jahre vorbei, sodass er steuerfrei verkaufen könnte?

aktiv: Wir haben diese Frage ganz allgemein mit Erich Nöll besprochen, dem Geschäftsführer des Bundesverbands Lohnsteuerhilfevereine. Normalerweise muss ein privat mit Immobilien erzielter Gewinn versteuert werden, wenn zwischen Kauf und Verkauf nicht mehr als zehn Jahre liegen. „Als Stichtag gilt immer das Datum des jeweiligen Notarvertrags“, betont Nöll. Eine Ausnahme gilt für selbst bewohnte Immobilien: Hier gibt es laut Gesetz keine Steuerpflicht, wenn das Haus oder die Wohnung entweder die gesamte Zeit „ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt“ worden ist – oder wenn die Immobilie im Jahr des Verkaufs und in den vorangegangenen beiden Jahren selbst bewohnt worden ist. Und die Sache mit den drei Jahren hat der Bundesfinanzhof sehr großzügig ausgelegt (3.9. 19, IX R 10/19): Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken muss nur das mittlere (!) Kalenderjahr umfassen und außerdem mindestens je einen Tag im zweiten Jahr vor der Veräußerung und dann wieder im Veräußerungsjahr selbst. Damit ist es zum Beispiel möglich, die zuvor selbst bewohnte Immobilie vor dem Verkauf noch ein paar Monate zu vermieten, ohne dass nur deswegen Steuer anfällt.

Eigenheim: Gewinn nach Scheidung oft steuerpflichtig

„Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.“ An diese Feststellung des früheren Bundesliga-Stürmers Jürgen Wegmann erinnert ein Steuerfall, der kürzlich vom Bundesfinanzhof entschieden wurde  (14. 2. 23, IX  R  11/21).

Ein bayerisches Ehepaar hatte sich Ende 2008 gemeinsam ein Haus gekauft. Später kam es zur Ehekrise, es folgten der Auszug des Mannes und bald die Scheidung. Anschließend verkaufte der Mann seine Haushälfte notgedrungen an die Ex-Frau. Da schrieb man allerdings erst das Jahr 2017 – und deshalb war der Gewinn, den der Mann mit der halben Immobilie machte, steuerpflichtig!

Weil er zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr selbst in dem Haus lebte, wäre der Gewinn erst nach den üblichen zehn Jahren Haltefrist steuerfrei gewesen. Dass das gemeinsame minderjährige Kind durchgängig mit der Mutter in dem Haus wohnte, spielte aus Sicht der Richter keine Rolle.
 

Leserfrage: Wie viele Rentenpunkte kann ich bekommen?

Julia P. per Online-Kontaktformular: Ich habe sechs Kinder erzogen. Wenn ich das Formular V 800 ausfülle, habe ich dann Anspruch auf 15 Rentenpunkte?

aktiv: Ja – mindestens! „Für Zeiten der Kindererziehung gibt es in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag sogenannte Entgeltpunkte, die die Rente erhöhen“, sagt Dirk Manthey von der Deutschen Rentenversicherung Bund. „Zwölf Monate Kindererziehungszeit entsprechen genau einem Entgeltpunkt.“ Und so ein Entgeltpunkt ist derzeit schon fast 40  Euro monatliche Rente wert. Bei den Geburten vor 1992 gab es pro Kind höchstens 30 Monate Kindererziehungszeit, bei Geburten ab 1992 sind es maximal 36 Monate. „Bei sechs Kindern können sich damit bis zu 18 Jahre für die Rente ergeben“, so Manthey – was eben unter anderem von den genauen Geburtsdaten der Kinder abhängig ist.

Waltraud Pochert
Autorin

Waltraud Pochert hat bei aktiv vor allem Verbraucherthemen aus dem Bereich der privaten Finanzen sowie Recht und Steuern im Blick. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln startete sie ihre berufliche Laufbahn bei einem großen Wirtschaftsmagazin, bevor sie als freie Journalistin tätig wurde. In ihrer Freizeit ist sie gern sportlich unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad.

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