Karlsruhe. Hand aufs Herz: Wer von uns fühlt sich wirklich wenigstens einigermaßen fit in Sachen Erster Hilfe? Von dem Kurs für den Führerschein vor Jahren oder gar Jahrzehnten ist bei den meisten wohl nicht mehr viel Erinnerung … Warum das nicht genügt, erklärt Dr. Wolfgang Panter im aktiv-Interview. Er ist Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW). Dieser Verband wurde 1949 gegründet und vertritt mehr als 3.300 Arbeitsmediziner in Deutschland.

Wie regelmäßig sollte jeder seine Erste-Hilfe-Kenntnisse auffrischen?

Optimal wäre mindestens alle fünf Jahre, damit man nicht alles vergisst. Denn die Abläufe der Rettungskette und vor allem die Techniken der Reanimation sollte jeder präsent haben und auch immer mal wieder einüben. Manches ändert sich ja auch im Lauf der Zeit.

Welche Maßnahmen sind heute die wichtigsten?

Inzwischen ist nicht mehr wie früher die Mund-Nasen-Beatmung die wichtigste Maßnahme, sondern die Thorax-Kompression! Also die Herzdruckmassage, die für einen Notkreislauf sorgen soll. Für einen Einzelnen ist sie sehr ermüdend, deshalb ist es umso besser, je mehr Leute darin firm sind: Dann kann man sich in Notfall abwechseln. Das wird immer wichtiger, denn die Häufigkeit von Herzerkrankungen steigt.

Was hat Corona an der Ersten Hilfe geändert?

Im Prinzip: nichts! Helfen hat oberste Priorität, mit oder ohne Maske, Abstandsregeln hin oder her! Die Hauptsache ist, schnell zu reagieren. Eine Mund-Nasen-Beatmung würde zur Not auch mit Maske oder einem schützenden Tuch funktionieren. Aber wie gesagt: Die Herzdruckmassage hat heute ohnehin Vorrang bei der Wiederbelebung.

Braucht man dafür nicht eine gewisse Körperkraft?

Nein. Die Thoraxkompression ist zwar anstrengend, aber besondere Kraft braucht man dafür nicht. Auch Frauen können das durchaus machen, selbst wenn sie nicht sehr robust gebaut sind. Wir beobachten auch immer wieder, dass Menschen in Extremsituationen über sich hinauswachsen und ungeahnte Kräfte mobilisieren. Man sollte da gar nicht lange nachdenken: Entscheidend ist stets, sofort zu helfen – und einfach das zu tun, wozu man persönlich in der Lage ist. Das kann auch mal heißen, einfach nur dazubleiben, dem Verletzten gut zuzureden, ihn zu trösten.

Gibt es in den Betrieben eigentlich genug Ersthelfer-Anwärter?

Ich schätze, viele Betriebe müssen wohl eher dafür werben. Das ist heute aber genauso wie früher, hat also mit den Generationen nichts zu tun. Viele sind eben unsicher, ob sie der Aufgabe gewachsen sind – ob sie vielleicht etwas falsch machen könnten.

Kann man denn etwas falsch machen?

Keine Angst: Fehler kann man keine machen. Man haftet auch nicht, wenn man als Laie nicht fachgerecht handelt. Das Schlimmste, was man tun kann, ist: nichts zu tun.

Was müssen Arbeitnehmer wissen, die keine betrieblichen Ersthelfer sind?

Es gilt die Vorschrift: Jeder Betriebsangehörige muss mindestens einmal jährlich über die Erste-Hilfe-Einrichtungen und das Verhalten bei Unfällen unterwiesen werden. Wenn dies nicht geschieht, könnte man seinen Vorgesetzten ruhig mal darauf ansprechen.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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