Balve. E-Mobilität – ein großes Thema, nicht nur für Autoproduzenten und Zulieferer. Bei der Firma Paul Müller in Balve geht man das Ganze von hinten an. Setzt an, wo aus dem klimafreundlichen Antrieb ein echtes Problem wird. Was, wenn das Auto brennt? Wenn die Batterie beim Unfall beschädigt wird? Wenn die Lithium-Ionen-Zellen sich selbst entzünden?

Mit diesen Fragen hat sich der Hersteller von Transport- und Verpackungslösungen letztes Jahr intensiv beschäftigt. Das Ergebnis steht in der Produktionshalle: rund 10 Meter lang, 2,50 Meter breit, 3,60 Meter hoch, feuerwehrrot.

Warum verunglückte E-Fahrzeuge eine Gefahr sind

Mit dem Havarieanhänger Müller Safety Trailer (MST) können verunglückte Elektrofahrzeuge kontrolliert abtransportiert und gelagert werden. „Einfach, kosteneffizient und umweltschonend“, wie Tobias Müller, einer der Geschäftsführer, erklärt. Das havarierte Fahrzeug wird mit einer Seilwinde in den Behälter gezogen. Die wasserdichte Wanne kann an einem sicheren Ort geflutet werden, sodass die im Fahrzeugboden verbaute Hochvoltbatterie dauerhaft im Wasser steht.

Das ist notwendig, wenn die Gefahr besteht, dass die Batterie Schaden genommen hat oder sich zu erhitzen droht. Ein Akku im Auto besteht aus sehr vielen Batteriezellen. Ist eine beschädigt, kann es in einer Kettenreaktion einen Kurzschluss nach dem anderen geben (thermal runaway). Auch nach Stunden kann sich die Batterie noch selbstständig entzünden. Um das zu verhindern und sicher zu gehen, dass in keiner Zelle mehr ein Brand schwelt, muss gekühlt werden - bis zu 30 Stunden und mehr.

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Spezialanhänger aus Balve spart Personal und Kosten

Übernehmen Feuerwehrkräfte die Aufgabe, ist der Aufwand enorm. „Mit dem MST haben wir dafür eine elegante Lösung gefunden, die Personal und Kosten spart“, sagt Tobias Müller. Zudem könne das kontaminierte Löschwasser abgepumpt und gezielt entsorgt werden.

E-Autos brennen weder heftiger noch häufiger als Benziner oder Diesel, nur anders“, so Karl-Heinz Knorr, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands. „Bei Feuerwehren und Abschleppunternehmen herrscht eine extrem hohe Verunsicherung beim Umgang mit E-Fahrzeugen“, weiß aber Tobias Müller. „Die Politik muss da klare Regelungen schaffen.“

Auf diese Lösung hat die Feuerwehr gewartet

Mit der Balver Lösung werden zumindest Provisorien wie in Dortmund überflüssig. Dort bastelte die Feuerwehr 2019 aus Muldenkipper und Plane ein Tauchbecken, um ein E-Auto zu kühlen, dessen Batterie sich immer wieder entzündete. „Wir haben die Feuerwehr als Kunden im Blick gehabt, aber es könnte auch für Abschlepper interessant sein“, erklärt Vertriebsleiter Matthias Scharf, der – ein Zufall – unter der Durchwahl -112 zu erreichen ist.

Paul Müller ist Spezialist für Gefahrgutbehälter

Dass sich das Unternehmen, das ansonsten passgenaue Transportsysteme aus Stahl und Kunststoff fertigt, mit der Sicherheit von Hochvoltbatterien beschäftigt, kommt nicht von ungefähr. Gefahrgutbehälter für den Transport von Lithium-Ionen-Akkus sind schon lange eine Spezialität. Daraus ergab sich ein weiteres Produkt: Stationäre Notfallboxen, die geflutet werden können. „Die werden von den Unternehmen gut nachgefragt“, berichtet Matthias Scharf. Es könne ja immer mal passieren, dass ein Ladungsträger mit unverbauten Batterien runterfällt oder ein Gabelstapler eine Batterie beschädigt.

„Diese Notfallboxen haben wir mobil gemacht“, sagt der Vertriebsleiter. Innerhalb von drei Monaten hat das Müller-Team – in enger Zusammenarbeit mit der Feuerwehr - einen Prototyp aufgebaut. Dafür wurden ein Fahrgestell zugekauft und der Havariebehälter umkonstruiert. „Es sind immer wieder neue Ideen dazu gekommen“, sagt Geschäftsführer Müller: „Elektrik und Hydraulik sind nicht alltäglich für uns.“ Konstrukteur Yury Kuznetsov hatte das erste Mal mit Seilwinde und Heckklappe zu tun: „Das war am kniffligsten. Und den Behälter absolut dicht zu bekommen.“

Auch geeignet für die Bekämpfung von Waldbränden

Am Ende hat es geklappt. Die Zulassungsprüfungen sind bestanden. „Es gibt bereits Containerlösungen, aber für die braucht man immer ein extra Wechselladerfahrzeug“, sagt Matthias Scharf. „Unser MST muss dagegen nur angehängt werden.“

Daraus ergeben sich weitere Nutzungsmöglichkeiten, die sich unter anderem bei den letzten Waldbränden abzeichneten: zum Beispiel ein Einsatz in der Vegetationsbrandbekämpfung. Die Feuerwehr kann den MST auch zu entlegenen Stellen mit unzureichender Wasserversorgung transportieren und dort als Pufferspeicher im Pendelverkehr befüllen. Knapp 17.000 Liter passen in den Container – ein Löschfahrzeug fasst üblicherweise zwischen 600 und 4.000 Liter.

Familienunternehmen will auch vom E-Bike-Trend profitieren

Und das Familienunternehmen sieht noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Batterien kaputter E-Bikes würden oft noch bedenkenlos verschickt. Auch die wenig gepflegten E-Scooter seien ein Gefahrenpotenzial, so Tobias Müller: „Der Anteil von Hochvoltbatterien nimmt kontinuierlich zu. Aber vieles ist ungeregelt oder nicht zu Ende gedacht. Den Trend zur E-Mobilität wollen wir mit guten Ideen und durchdachten Produktlösungen begleiten.“

Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie außerdem bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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