Frankfurt. Die „Operation Bird Dog“ der US-Militärregierung startete im Frühjahr 1948 unter strengster Geheimhaltung. 23.000 Metallkisten wurden in Bremerhaven von einem amerikanischen Schiff geladen und flächendeckend in die westlichen Besatzungszonen Deutschlands geliefert. Der Inhalt: Dollar-ähnliche Banknoten – mit dem Aufdruck „Deutsche Mark“.

Die Bevölkerung, die drei Jahre nach Kriegsende bittere Not litt, ahnte nicht, dass damit die Wende zum Besseren bevorstand. Erst kurz vor dem 20. Juni wurde bekannt gegeben, dass dann jeder Einwohner 40 Reichsmark eins zu eins ins neue Geld umtauschen durfte.

Die Zeit der amtlichen Zuteilung von Kleidung und Lebensmitteln, des illegalen und gefährlichen Schwarzmarkts und der Hamstertouren zu Bauern aufs Land ging zu Ende – dazu trug das planvolle Eingreifen Ludwig Erhards entscheidend bei.

Angebot und Nachfrage begannen, sich einzupendeln

Erst wenige Monate zuvor war der Ökonom von den Amerikanern zum Direktor der „Verwaltung für Wirtschaft“ ernannt worden, angesiedelt in Frankfurt. Mit seiner Entscheidung, die behördlichen Preiskontrollen sukzessive abzuschaffen, gab Erhard den Startschuss für die freie Marktwirtschaft – und legte die Basis für einen beispiellosen Aufschwung.

Schon in den Tagen danach begannen sich die Regale und Schaufenster der zuvor leeren Läden mit Waren zu füllen.

Was den Menschen wie ein Wunder erschienen sein muss, war für Erhard eine logische Konsequenz: „Am freien Markt werden sich Angebot und Nachfrage von selber einpendeln.“ Mit diesen Worten hatte er zuvor seinen Mitarbeitern die Strategie der Preisfreigabe erklärt. Das wenig später einsetzende Wirtschaftswunder sollte ihm ebenso recht geben wie der Wohlstand, den die Deutschen heute genießen.

Freilich ist dieser Wohlstand nicht selbstverständlich. Er entsteht immer neu durch Wettbewerb in einer starken Marktwirtschaft. „In deren Zentrum steht ein funktionsfähiges Preissystem, dessen Signale jeder Einzelne sofort verstehen kann“, sagt Professor Nils Goldschmidt, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Siegen.

Wenn Politiker in die Preise eingreifen, geht’s oft schief

Die durch den Preis erkennbare Konkurrenz schafft für Unternehmen den Anreiz, ihre Produkte weiterzuentwickeln und neue zu erfinden, effizienter zu produzieren – also immer besser zu werden.

Was für Erhard klar war und unter Ökonomen der Gegenwart unstrittig ist, gilt in der Politik noch immer nicht als selbstverständlich. Zu stark ist die Versuchung, in die Preise einzugreifen, um sich bei den Wählern beliebt zu machen.

Wie beim gesetzlichen Mindestlohn. „Die Preisbildung sollte allein Sache der Akteure auf dem Markt sein“, sagt Goldschmidt, „in diesem Fall also der Tarifparteien.“

Auch mit der Mietpreisbremse fällt der Staat aus der Rolle. „Ein solcher Markteingriff schwächt den Anreiz, in Wohnraum zu investieren“, so Goldschmidt. Günstigere Wohnungen schafft man so nicht.

Ein ähnlicher Fehlgriff ist zudem die milliardenschwere Subventionierung des Ökostroms. Sie belastet die Unternehmen im internationalen Wettbewerb durch zu hohe Energiekosten.

Alles in allem aber funktioniert unsere Soziale Marktwirtschaft gut – und wird von der Gesellschaft im Großen und Ganzen als gutes System empfunden. Sie ermöglicht sozialen Aufstieg, hat zu einer breiten Mittelschicht und starken Unternehmen geführt.

In Zeiten globaler politischer und technologischer Veränderungen bleibt sie die Basis einer prosperierenden Zukunft.

Vordenker der neuen Wirtschaftsordnung

Der Mann mit der Zigarre: Ludwig Erhard (1897 bis 1977). Foto: dpa
Der Mann mit der Zigarre: Ludwig Erhard (1897 bis 1977). Foto: dpa
  • Der promovierte Ökonom Ludwig Erhard wurde 1942 von den Nazis aus der Leitung des „Instituts für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware“ gedrängt.
  • Anschließend arbeitete er, unterstützt von Förderern, an einem Konzept für eine neue Wirtschaftsordnung nach einem verlorenen Krieg.
  • Als Direktor der „Verwaltung für Wirtschaft“ der Bizone überzeugte er die Siegermächte ab 1948 von wichtigen Reformen.
  • 1949 wurde er westdeutscher Wirtschaftsminister, 1957 erschien sein Buch „Wohlstand für alle“, von 1963 bis 1966 war Ludwig Erhard Bundeskanzler.