Viersen. Wer mit Firmenchef Christoph Scheerers über das Gelände geht, benötigt gutes Schuhwerk und auch etwas Zeit. Im Schnelldurchgang sind die rund vier Hektar Fläche nicht zu besichtigen. Die August Scheerers & Co. GmbH stellt hier auf ihren Fertigungsstraßen Gartenkeramik her. Das Geschäft brummt.

Zwar wirken die Lagerhallen zurzeit relativ leer, doch das Unternehmen produziert trotz Ukraine-Krieg bei voller Auslastung. „Unsere Produkte werden meistens rasch von Spediteuren abgeholt und zum Kunden gebracht“, erklärt Inhaber Scheerers. Vor allem Bau-, Garten- und Supermärkte in Deutschland und Nachbarstaaten ordern die Teile. „Die Nachfrage ist schon eine ganze Weile riesig“, sagt der Firmenchef.

Pflanzkübel, Kästen, Schalen, Untersetzer – Gartenkeramik liegt voll im Trend. Was in den 1970er Jahren angesagt war, ist auch jetzt wieder gefragt: Ton aus der Region, gefertigt von einem traditionsreichen Familienbetrieb. „Unsere Blumentöpfe sind ein reines Naturprodukt“, sagt Firmenchef Scheerers, „das kommt bei den Kunden an.“

Alte Handwerkskunst, hochproduktive Fertigung

7 bis 50 Zentimeter Durchmesser haben die Gefäße; es gibt sie in verschiedenen Designs und Dekoren, mit aufwendigen Reliefs, auf Wunsch sogar versiegelt. „Natürlichkeit ist angesagt“, sagt Scheerers. „Keramik hebt den Wert einer Pflanze.“

Christoph Scheerers leitet das Unternehmen seit 25 Jahren. Auch seine Frau, Schwester und Cousine arbeiten schon lange im Betrieb. „Wir haben alle Hände voll zu tun, das haben wir alle noch nicht erlebt“, erzählt der 53-Jährige. Die Töpferei ist 300 Jahre alt. Die Liebe zur Töpferkunst ist ungebrochen, auch wenn inzwischen Roboter in die Fertigung eingezogen sind.

Nachhaltigkeit wird großgeschrieben. Der Familienbetrieb richtet sich nach der sogenannten „Triple Bottom Line“, das heißt, er will zu ökonomischem, ökologischem und sozialem Fortschritt beitragen und eine Balance dieser drei Ziele herstellen. Alte Handwerkskunst verbindet sich hier mit hochproduktiver Fertigung.

Beispiel: Yilmas Sherif platziert auf Paletten Töpfe, die zuvor der Roboter veredelt hat. Mensch und Roboter – hier gehört das zusammen. Aber die moderne Technik hat auch Grenzen. „Nicht überall haben wir gute Erfahrungen mit Robotern gemacht“, so Scheerers. „Ganz verzichten können wir auf die menschliche Arbeitskraft nicht.“

Der Ofen backt in zwei bis drei Tagen bis zu 50.000 Teile

In der 100 Meter langen Produktionshalle geht es vorbei an Mahlwerken, Förderbändern, Roboterlinien. Im Hintergrund strahlt die Wärme des 40 Meter langen Ofens. Er backt in zwei bis drei Tagen bis zu 50.000 Teile. Bis zum Ende des Jahres werde der nicht kalt, sagt der Chef, die Auftragsbücher seien voll.

Eigentlich ein Grund zur Freude, doch die steigenden Energiepreise machen der Firma zu schaffen. Auch andere Branchenbetriebe leiden darunter. Als Vorsitzender des Arbeitgeberverbands kennt Scheerers die Nöte. Der Staat müsse jetzt befristet weitgehend auf Steuern und Abgaben auf Öl, Gas und Strom verzichten. „Nirgendwo wird der Verbrauch von Brennstoffen und Strom vom Staat so hoch belastet wie in Deutschland“, sagt er. „Das ist weltweites Rekordniveau!“ Die Betriebe bräuchten jetzt eine Pause.

Die deutsche Keramik-Industrie

  • Arbeitsgebiete. Die größte Sparte ist die Produktion von Porzellan und Haushaltswaren. Die Hersteller von Bau-, Sanitärkeramik und Ziegeln folgen auf Rang zwei. Kleinster Bereich ist die Fertigung feuerfester Werkstoffe und Isolatoren
  • Außenhandel. 2,7 Millionen Tonnen keramischer Waren wurden im Jahr 2020 ausgeführt und etwa 2,6 Millionen Tonnen eingeführt.
  • Innovation. Etwa ein Zehntel der Branchenbeschäftigten arbeitet in Forschung und Entwicklung. Einen Schwerpunkt bildet die technische Keramik.
Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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