Düsseldorf. Surrende Nadeln, konzentrierte Gesichter, Motive für die Ewigkeit: Viele Menschen kennen das aus eigener Erfahrung – die Faszination Tattoo fristet schon längst kein Nischendasein mehr. Doch für die Fans der Körperkunst brechen graue Zeiten an: Bunte Blumen oder farbenfrohe Tiere sind erst einmal passé.

Grund dafür ist die EU-Chemikalienverordnung REACH, die seit Kurzem zahlreiche Farbpigmente verbietet. „Derzeit ist so gut wie keine am Markt befindliche Tattoo-Farbe mit den neuen Anforderungen kompatibel“, beklagt der Bundesverband Tattoo (BVT) in Düsseldorf.

Neue geeignete Farben sind noch nicht in Sicht

Etwa 4.000 Stoffe betrifft das neue Verbot insgesamt. Darunter sind auch viele Pigmente und Konservierungsstoffe, die für die Herstellung von Tattoofarben verwendet werden. Die EU-weite Verordnung regelt die „Registrierung, Autorisierung und Evaluation von Chemikalien“ – eben REACH. In Kraft getreten ist sie erstmals vor fast 15 Jahren, seitdem wird sie regelmäßig aktualisiert.

Nun sind viele Tattoo-Farben gesundheitlich zumindest bedenklich. Denn die Grundlage der meisten bunten Pigmente sind Azofarbstoffe. Sie sind billig zu produzieren und behalten lange ihre leuchtende Farbe. Das Problem: Einige dieser Farbstoffe sind chemisch instabil. Dadurch entstehen im Körper sogenannte primäre Amine, die potenziell krebserregend sind. Die Tätowiermittel-Verordnung hat darum schon 2009 alle Farben, die chemisch instabile Azofarbstoffe enthalten, verboten.

Aber: Wissenschaftler des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit haben 2016 herausgefunden, dass viele Farbproben noch immer die schädlichen primären Amine enthalten. Dagegen geht die EU also nun mit dem Verbot der meisten Farbpigmente vor.

Welche Auswirkungen das auf die Tattoo-Branche haben wird, lässt sich schwer vorhersagen. Der BVT-Vorsitzende Urban Slamal schätzt, dass es noch Monate dauern wird, bis zumindest einige Grundfarben in neuen Rezepturen verfügbar sind: „Die etablierten Hersteller haben leider bis dato kaum etwas anzubieten.“

Das Verbot kommt nicht überraschend

Und die Aussichten werden für Tätowierer und Tattoo-Fans nicht besser. Denn ab Januar 2023 betrifft das Verbot weitere Farben. Die Pigmente „Blue  15“ und „Green  7“ werden dann auch nicht mehr erlaubt sein. Beide stehen ebenfalls im Verdacht, krebserregend zu sein. Vor allem ohne den für die Szene wichtigen Blauton „15:3“ werden bunte Tätowierungen nahezu unmöglich. Nur Schwarz, Grau und Weiß können dann noch sicher eingesetzt werden.

Bleibt die Frage: Warum haben die Hersteller nicht früher mit der Produktion neuer, harmloserer Farben begonnen? Das Verbot der Chemikalien kommt ja nicht überraschend. Schon 2017 erschien der erste Vorschlag zur Verbotsliste, 2020 wurde diese beschlossen, die zuständigen EU-Ausschüsse hielten die jahrelange Übergangszeit für angemessen. „Wir wussten natürlich, was auf uns zukommt“, sagt Slamal. „Über die Gründe, warum noch keine neuen Farben auf dem Markt sind, kann man nur spekulieren.“ Vielleicht seien die vielfältigen Verordnungen mit ihren Verweisen auf weitere Regularien selbst für Fachleute zu komplex. „Letztlich wird die Branche derzeit kaum etwas anderes tun können, als mit einem langen Atem den eigenen Betrieb irgendwie aufrechtzuerhalten.“

Tätowierte und solche, die es werden möchten, sollten sich also erst mal kreative Motive in Schwarz oder Grau aussuchen.

Nadine Bettray
aktiv-Redakteurin

Nadine Bettray schreibt bei aktiv vor allem über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Sie studierte Politikwissenschaft an der Fernuniversität Hagen. Anschließend zog es sie zum Arbeitgeberverband METALL NRW in Düsseldorf. Am Journalistenzentrum Haus Busch in Hagen absolvierte sie ein Volontariat. Wenn Nadine nicht am Schreibtisch sitzt, jubelt sie Rot-Weiss Essen zu oder rennt mit ihrem Hund durch den Wald. 

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