Ulm. „Neulich habe ich einen Krimi gesehen, in dem eine Roboterpuppe sich selbstständig macht und anfängt, Leute umzubringen“, erzählt Maximilian Förster beim Besuch von aktiv in seinem Büro an der Uni Ulm. Was ist dran an solchen Horrorszenarien? Ist das realistisch? Förster, Postdoktorand am Institut für Business Analytics, lehnt sich entspannt zurück: „Davon sind wir meilenweit entfernt.“ Erstens sei es technisch gar nicht möglich. Und zweitens habe immer noch der Mensch den Hebel in der Hand, der künstliche Intelligenz (KI) letztendlich steuert. „Wir entscheiden, wie wir KI einsetzen und wie wir sie weiterentwickeln wollen.“

„Ich möchte, dass es Spaß macht, mit neuen Technologien zu arbeiten.”

Genau diese Frage treibt den jungen Wirtschaftsinformatiker um: Wie kann man neue Technologien optimal nutzbar und menschenfreundlich machen? So, dass es Spaß macht, damit zu arbeiten? Seine Antwort: „Indem man die jeweiligen Stärken von KI und Menschen miteinander verknüpft – nämlich Rechenpower mit Lebens- und Berufserfahrung.“ Damit hat sich der 28-Jährige aus Wangen im Allgäu in seiner Doktorarbeit beschäftigt.

Eine gute KI erklärt, wie sie zu ihren Ergebnissen kommt

„KI kann manches besser als der Mensch“, sagt Förster. Sie kann Tausende von Datensätzen blitzschnell überblicken und in Beziehung zueinander setzen. Das Problem: Sie ist eine Blackbox. Man steckt Daten rein, und es kommt ein Ergebnis raus. Was dazwischen im Einzelnen abläuft, durchschaut nicht einmal der Entwickler, der den Algorithmus dafür designt hat. Dafür ist die Masse an Daten einfach zu groß. Und die Verarbeitung ist unvorstellbar komplex – ähnlich wie in unserem Gehirn. Droht uns KI also über den Kopf zu wachsen? Förster schüttelt den Kopf: „Nicht, wenn man sie zum Team-Mitglied macht, das seine Entscheidungen den anderen erklärt.“

Menschen können auch anders entscheiden als die KI

Und wie kann das konkret aussehen? Förster erklärt: „Stellen Sie sich einen Bankberater vor.“ Ob ein Kunde einen Kredit bekommt oder nicht, entscheidet er mithilfe eines Computerprogramms. Zuerst bekommt das Programm Input, welche Entscheidungen in der Vergangenheit anhand welcher Kriterien getroffen wurden. Mit diesen „Erfahrungen“ lernt es, Entscheidungen vorherzusagen. Das Ergebnis – kreditwürdig oder nicht – sagt dann aber nichts darüber aus, woran die Kreditwürdigkeit vielleicht gescheitert ist. „Da sitzen wir jetzt dran“, sagt Förster. „Wir wollen, dass der Bankberater nicht nur ein Ergebnis bekommt, sondern dass er weiß, warum der Algorithmus zu diesem Ergebnis gelangt ist.“ Zum Beispiel: Das Gehalt ist zu niedrig. Der Bankberater kann den Kredit dann immer noch trotzdem gewähren – auf der Basis seiner persönlichen menschlichen Erfahrung. Nur so, nämlich gemeinsam, entfalten Menschen und KI ihr ganzes Potenzial – und liefern optimale Ergebnisse.

KI kann die Qualitätssicherung in der Industrie unterstützen

Einsatzmöglichkeiten für solche transparente KI gibt es auch in der Industrie: Etwa damit Controller Umsätze einschätzen oder Lieferausfälle vorhersehen können – mithilfe einer KI, die ihnen erklärt, wie sie zu ihren Prognosen kommt. Oder in der Qualitätskontrolle kann eine KI Bilder auswerten, um festzustellen, ob ein Teil defekt ist. Und sie kann dem Qualitätsprüfer zeigen, wo er noch mal genau nachschauen muss.

Für seine Dissertation in diesem noch jungen Forschungsfeld „Erklärbare KI“ hat Förster übrigens den Südwestmetall-Förderpreis 2022 erhalten. Damit werden herausragende Nachwuchswissenschaftler an baden-württembergischen Hochschulen geehrt. Bei der reinen Wissenschaft soll es aber nicht bleiben, vielmehr liegt ihm der praktische Nutzen am Herzen: „Wir wollen nicht im Elfenbeinturm forschen. Wir schnappen uns ein reales Problem aus der Wirtschaft oder Gesellschaft und versuchen, einen Beitrag zu einer Lösung zu leisten.“

Nachgefragt

Was genau ist eigentlich KI?

Unter KI versteht man lernfähige Systeme, die Daten analysieren, um daraus immer wieder neue Problemlösungen, Prognosen oder Entscheidungen abzuleiten.

Wie wird sie die Arbeitswelt verändern?

KI ist im Kommen, auch in der Produktion. Menschen ganz ersetzen kann sie aber nicht. Die Beschäftigten müssen dennoch mitziehen. Eine Studie hat ergeben: Jeder dritte Industriearbeitnehmer muss digitale Schlüsselfähigkeiten nachholen. Dazu gehört ein grundlegendes Verständnis, etwa wie eine Maschinen-Software tickt.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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