Samstag, 16. Juli, 11:15 Uhr, Hamburger Jungfernstieg. Es ist leicht bewölkt, kaum Wind, 18 Grad Lufttemperatur. Das optimale Wetter für einen Triathlon. Und genau deswegen ist Katrin Lepper hier, gemeinsam mit rund 35 Arbeitskollegen von Philips und anderen Sportlern.

Die 46-Jährige, die bei Philips als Assistentin der Geschäftsleitung arbeitet, startet auf der Sprint-Distanz. Klingt nach einem kurzen Vergnügen, ist aber durchaus ambitioniert, denn die drei Teilstrecken (500 Meter Schwimmen, 22 Kilometer Radfahren, 5 Kilometer Laufen) verlangen selbst gut trainierten Sportlern mit Wettkampferfahrung einiges ab.

Das Wasser ist kalt, aber die Sportler freut’s, denn sie dürfen im Neopren starten

Katrin Lepper hat diese Erfahrungen nicht, für sie ist es heute das erste Mal. Ein halbes Jahr nach der Anmeldung zum Wettkampf ist jetzt der große Tag gekommen – in fünf Minuten soll der Start stattfinden. Das obligatorische Warm-up ist bereits beendet, nun macht sich Katrins Gruppe auf den Weg zum Wasser.

Die Alster ist, wir sind schließlich in Norddeutschland, immer noch kühl; sie hat heute knapp 19 Grad Celsius, was aus Sicht der Triathleten allerdings eine gute Nachricht ist, denn nun dürfen sie im Neoprenanzug starten. Das gibt dem Körper Auftrieb und verbessert die Wasserlage. Ein klarer Vorteil für jeden, der um Sekunden kämpft.

Katrins Ziele sind bescheidener, sie will „ankommen und noch stehen können“, wie sie im Training verraten hat. Und so steigt sie ohne Neopren in die Binnenalster, in der gleich 500 Meter zu schwimmen sind. Als das Startsignal ertönt, hat sie die gelbe Boje im Blick, die sie umrunden muss. Im Brustschwimmstil – Kraulen hatte sie zwar geübt, aber nach Schulterschmerzen aufgegeben.

Bald hat sie den Ausstieg im Blick. Dort, nach 16 Minuten und 39 Sekunden, die Überraschung: Sie wankt. „Wenn man nach dem Schwimmen plötzlich in die Vertikale wechselt, kann man leicht ins Taumeln kommen“, hatte sie ein Teamkollege gewarnt. Doch ihr Kreislauf passt sich an, auf dem Weg zur längsten Wechselzone der Welt. Ihr Gefühl, angefeuert von ihrem Mann Thorsten und den Philips-Kollegen: „Das Schwimmen hab ich toll gemeistert!“

Ein „Parksünder“ erschwert den Wechsel vom Rennrad zur Laufstrecke

Am Ballindamm schlüpft sie in die Schuhe und schnappt sich ihr Rad. „Ich bin die 22 Kilometer nach Teufelsbrück und zurück eher gemütlich geradelt“, erzählt sie später. „Mit dem Windschatten-Verbot hatte ich keine Probleme, die anderen haben eher mich überholt.“ Mehr Tempo geht nicht. „Vor dem nächsten Rennen muss ich mehr Krafttraining machen.“ Ergebnis: knapp über eine Stunde.

Zurück in der Wechselzone die nächste Überraschung: Ihr „Nachbar“ hat sich breitgemacht und alles blockiert. „Ich musste sein Rad zur Seite schieben, dabei fiel es auch noch um“, erzählt sie. Das brockt ihr eine Wechselzeit von acht Minuten ein. Schnell noch ein Energie-Gel, dann geht es auf die Laufstrecke.

„Beim Laufen taten mir die Waden weh, da war ich schon kaputt“, stellt sie fest. Es rächt sich, dass ihr Trainingseifer in den letzten Wochen nachgelassen hatte. Beim Hotel „Vier Jahreszeiten“ kommt sie wieder an Thorsten vorbei. „Da wurde ich emotional, musste ganz bewusst tief atmen“, erzählt sie. „Das hatte ich eigentlich erst für das Ziel erwartet.“ Dort angekommen, am Rathausmarkt, nach zwei Stunden und 13 Minuten, ist sie erschöpft, aber glücklich. Ihre Erfahrung: „Es dauert, bis man die eigene Leistung wirklich begriffen hat. Das muss erst einmal sacken.“

Am nächsten Montag gibt es stehende Ovationen im Büro. „Katrin hatte ein breites Grinsen im Gesicht“, erzählt ihre Kollegin und Teampartnerin Caroline Lippe. Und die frischgebackene Triathletin weiß jetzt schon: „2017 bin ich wieder dabei.“ Auch Ehemann Thorsten will mitmachen, gemeinsam mit einigen Kollegen.

Mit mehr als 42 Stundenkilometern über die Reeperbahn Richtung Westen

Sonntag, 17. Juli, 8:10 Uhr. Sonnenschein, 20 Grad, wenig Wind. Routiniert richtet Hendrik Ohagen (38) seinen Platz in der Wechselzone ein, hängt Startnummernband und Helm an den Lenker, klickt die Radschuhe in die Pedale. Das Ziel für seinen vierten Start beim Hamburg-Triathlon: eine neue persönliche Bestzeit.

Dafür muss er gut schwimmen, aber er sieht noch Potenzial. Auf dem Rad und beim Laufen sind ohnehin nur wenige Teilnehmer schneller als er. Als um 8:52 Uhr das Startsignal ertönt, kommt er schnell voran. Doch im Getümmel der trüben Alster weicht er von der Ideallinie ab. „Ich bin kreuz und quer geschwommen“, hadert er. „Völlig orientierungslos.“

Unter der Kennedy-Brücke nerven ihn übermotivierte Mitstreiter. Einer zieht ihn gar unter Wasser. „Da musste ich echt strampeln, um nicht unterzugehen!“ Ein leichter Krampf ist die Folge, aber Hendrik schwimmt im Bruststil weiter und hängt die Konkurrenz ab. „Solche Rangeleien sind selten böswillig, ich selbst habe auch schon andere erwischt“, gibt er zu.

Nach 31:22 Minuten steigt Hendrik Ohagen aus dem Wasser. „Ohne Neopren und im Brustschwimmstil war ich schon mal schneller“, schmunzelt er. Nun fängt das eigentliche Rennen für ihn an, auf der Radstrecke gibt er ordentlich Gummi. Mit über 42 Stundenkilometern zischt er die ersten zehn Kilometer über Reeperbahn und Elbchaussee bis zum Wendepunkt in Teufelsbrück. Am Ende brennt er eine Zeit von 1:03:52 in den Asphalt. Damit hat er einen Teil des Schwimm-Rückstands aufgeholt und immer noch reichlich Power für die Laufstrecke.

Auf den letzten Metern begleiten Lotte (12) und Till (8) ihren Papa. Hinter dem Ziel schaut Lotte zur Uhr und jubelt: „2:21:56 Stunden! Schneller als im letzten Jahr!“

Erfolgreiche Premiere auf der Olympischen Distanz

Mit Hendrik Ohagen startet auch Caroline Lippe (36) in ihren ersten Olympischen Triathlon. Ihr Rennen beginnt gut, beim Schwimmen findet sie schnell ihren Rhythmus. Doch auch sie verliert kurz die Orientierung, peilt die falschen Bojen an. Das kostet Zeit. Sie krault fast die kompletten 1,5 Kilometer durch und schafft damit eine Zeit von 35 Minuten.

Auch auf dem Rad läuft es besser als erwartet. „Zwischendurch hatte ich einen kleinen Hänger, aber ein Energie-Gel half mir darüber hinweg.“ Als ihre Uhr einen Schnitt von über 30 Stundenkilometern zeigt, ahnt sie bereits, dass das hohe Tempo sich beim Laufen rächen wird.

Als sie auf die Laufstrecke wechselt, schmerzen ihre Knie, zudem schaltet sie unterwegs versehentlich ihre Uhr ab und weiß nicht mehr, in welchem Tempo sie unterwegs ist. „Ich selbst kann mich nicht gut einschätzen, und um mich herum konnte mir auch keiner seinen Minutenschnitt sagen.“ Die letzten anderthalb Kilometer werden zäh. „Ich mag nicht mehr!“, ruft sie Katrin Lepper zu, die sie anfeuert.

Doch Caroline beißt sich durch, erreicht in 2:52:37 Stunden das Ziel – mit Gänsehaut. „Auf den letzten Metern habe ich realisiert, was ich geleistet habe“, sagt sie. „Ein unglaubliches Gefühl.“

Clemens von Frentz
Leiter aktiv-Redaktion Nord

Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.

Alle Beiträge des Autors