Hannover. Hoch, höher – die Energiepreise stiegen zuletzt im Rekordtempo. Mehr noch als Benzin, Heizöl oder Strom verteuerte sich Erdgas: Sein Preis hat sich gegenüber dem langjährigen Mittel mehr als verdreifacht.

Zum Glück schlägt der Preisauftrieb beim Erdgas nicht überall sofort durch. So haben die Energieversorger in der Regel längerfristige Verträge mit ihren Lieferanten abgeschlossen. Das sichert sie und ihre Kunden preislich ab. Gleiches gilt für einen Großteil der Betriebe, die Erdgas benötigen. Müssen jedoch neue Verträge abgeschlossen werden, steigen die Tarife. Entscheidend ist, wie sich der Erdgaspreis bis dahin entwickelt.

Erdgas-Aufbereitung: Weil die Lieferländer mit Nachschub 2021 nicht nachkamen, sind die Erdgas-Lager noch nicht voll gefüllt.

Ohne langfristige Lieferverträge steigen die Preise sofort

Gebeutelt ist, wer keine längerfristigen Lieferverträge hat und derzeit schnell Erdgas braucht. Das trifft gerade auch manche Industriebetriebe. „Vor allem Unternehmen mit hohem Erdgasverbrauch stehen durch den historischen Preisanstieg mit dem Rücken zur Wand“, sagt Volker Stuke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Energie-Abnehmer (VEA). „Für sie ergibt sich eine massive Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation.“

In zahlreichen industriellen Anwendungen wird Erdgas benötigt, etwa in der Metallerzeugung und -verarbeitung, um Prozesswärme zu erzeugen. Ein Drittel des Erdgasverbrauchs in Deutschland geht auf die Industrie zurück. Der größte Anteil davon entfällt auf die Chemie, wo es auch als Rohstoff etwa in der Düngerherstellung eingesetzt wird.

Mehrere Gründe für den Preisauftrieb

Wie jedoch konnte sich die Marktlage so zuspitzen? Simon Göß vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool spricht vom „perfekten Sturm“ in 2021, gespeist aus mehreren Richtungen: Lockdown-Lockerungen brachten die Weltwirtschaft und damit die Kraftwerke auf Touren. Dagegen sank die Windstromproduktion, weil europaweit ungewöhnlich wenig Wind wehte. Erdgas und Kohle waren verstärkt als Ausputzer gefordert. Zudem war die Heizperiode wegen des kühlen Frühjahrs lang.

Die Erdgas-Vorratslager leerten sich – während gerade Russland, unser wichtigster Gaslieferant, mit Lieferungen nicht nachkam.

Staat treibt die Kosten zusätzlich in die Höhe

Obendrein zogen die ohnehin rekordhohen staatlichen Abgaben auf Energie hierzulande weiter an: Seit 2021 gilt auch der nationale CO2-Preis. Eine vierköpfige Familie mit Einfamilienhaus zahlt dadurch knapp 120 Euro pro Jahr mehr fürs Heizen mit Erdgas. In den kommenden zwei Jahren steigt dieser Zusatzposten auf bis zu 165 Euro.

Wird sich der Preisauftrieb fortsetzen? Die Expertenmeinungen gehen da auseinander. Mit entscheidend ist, wie kalt dieser Winter wird, wie die Weltkonjunktur läuft und ob die Förderländer ihre Erdgas-Hähne weiter aufdrehen.

Angesichts solcher Unwägbarkeiten werden Rufe nach Entlastungen für die Verbraucher laut. Aus dem Institut der deutschen Wirtschaft kommt ein eingängiger Lösungsvorschlag: weg mit der staatlichen EEG-Umlage zum Ausbau erneuerbarer Energien. Das würde für Verbraucher und Unternehmen wenigstens bei den Stromkosten etwas Abhilfe schaffen – für ein vierköpfige Familie in Höhe von über 300 Euro jährlich.

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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