Eine aktuelle Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte zeigt: Deutschlands Autofahrer interessieren sich zunehmend für Elektrofahrzeuge. Rund 40 Prozent der Befragten würden beim nächsten Autokauf ein Hybridmodell wählen; 2021 lag dieser Wert noch bei 26 Prozent. Der Anteil derjenigen, die ein reines Elektroauto nehmen würden, stieg von 6 auf 15 Prozent, so die Verfasser der „Deloitte Global Automotive Consumer Study 2022“.

Die Studie bestätigt aber auch das, was andere Umfragen regelmäßig zeigen: Eine der größten Bremsen in Sachen E-Mobilität ist der Ladevorgang. Viele Autofahrer fürchten, dass er zu lang dauert, zu umständlich ist und zu wenig Reichweite für längere Fahrten liefert – eine Sorge, die nicht ganz unberechtigt ist.

Schnellladegesetz schafft Rechtsgrundlagen

Das hat auch die Bundesregierung erkannt und daher 2021 ein „Gesetz zur Bereitstellung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur für reine Batterieelektrofahrzeuge“ verabschiedet. Mit diesem Schnellladegesetz (SchnellLG) schuf das Bundesverkehrsministerium die Rechtsgrundlage für den gezielten Ausbau eines deutschlandweiten Netzes von Schnellladepunkten.

Wie dieses Angebot in der Praxis aussehen kann, lässt sich seit einem Jahr beispielhaft im Hamburger Süden besichtigen. Dort wurde eine Aral-Tankstelle am Wilhelm-Iwan-Ring mit zwei Ultraschnellladesäulen ausgestattet, an denen das Laden kaum länger dauert als die Betankung eines herkömmlichen Autos mit Verbrennermotor.

Bis zu 350 Kilowatt liefern die Säulen

In Zahlen: E-Autos können hier laut Aral in nur zehn Minuten so viel Strom aufnehmen, dass es für eine maximale Reichweite von 300 Kilometern reicht, sofern ihr Akku für diese „elektrische Druckbetankung“ geeignet ist.

Arals Mutterkonzern BP will die Zahl seiner weltweiten Ladepunkte bis 2030 auf 100.000 erhöhen

Möglich macht es eine Kooperation von Siemens und Aral, die zum Ziel hat, in den kommenden Jahren möglichst viele Aral-Tankstellen mit Ultraschnellladepunkten zu bestücken. „Die Ausstattung unserer Stationen mit dieser Infrastruktur ist ein Baustein für die Gestaltung der Tankstelle der Zukunft“, so Aral-Vorstand Patrick Wendeler. „Um das Laden vergleichbar schnell wie das Auftanken von Fahrzeugen mit konventionellen Kraftstoffen zu machen, investieren wir in ultraschnelle Ladesäulen mit einer Leistung von bis zu 350 Kilowatt (kW).“

Mittelspannungsanschluss erforderlich

Doch mit den Ladesäulen allein ist es nicht getan: Die Umrüstung wird erst durch einen leistungsfähigen und zuverlässigen Netzanschluss möglich. Hier kommen die Produkte des Siemens-Geschäftsbereichs Siemens Smart Infrastructure zum Einsatz.

Denn aktuell haben die meisten Tankstellen lediglich einen Niederspannungsanschluss, und der reicht für solche Zwecke nicht aus. Um den Strombedarf der Schnellladesäulen zu decken, braucht es einen Mittelspannungsanschluss mit einer viel höheren Leistung.

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Kontinuierliche Überwachung der Technik

Dies geschieht mithilfe der Ortsnetzstationen. Sie verbinden die Ladeinfrastruktur der Tankstellen mit dem öffentlichen Stromnetz und bestehen aus je einem hermetisch gekapselten Transformator, einer gasisolierten Mittelspannungsschaltanlage vom Typ 8DJH sowie einer Sivacon S8 Niederspannungsschaltanlage, an die mehrere Schnellladestationen angeschlossen werden können.

Durch den Einsatz von kommunikationsfähiger Hardware sowie Internet-of-Things-Technologie kann sich Aral jederzeit über den Zustand der Ortsnetzstationen informieren. Dadurch kann die Funktionsbereitschaft der Ladesäulen noch besser als bislang sichergestellt werden. Der Einsatz von Sensoren hilft dabei, Daten zu generieren, die eine kontinuierliche Überwachung des Zustands und des sicheren Betriebs des Equipments gewährleisten.

Intelligente Ortsnetzstationen

Diese Daten werden dann über Kommunikationsschnittstellen an ein übergeordnetes, cloudbasiertes IoT-System weitergegeben. Über eine Web-Applikation werden die Daten in sinnvoller Ergänzung zu denen der Schnellladestationen ausgewertet und visualisiert.

Stephan May, CEO Distribution Systems bei Siemens Smart Infrastructure: „Unsere intelligente Ortsnetzstation ermöglicht Aral nicht nur die Einführung der Ultraschnellladetechnologie, sondern sorgt auch für höchste Zuverlässigkeit und eine bessere Netzauslastung innerhalb der bestehenden Infrastruktur.“

Aus den Ladesäulen kommt Ökostrom

Aral betreibt alle Ultraschnellladesäulen, die übrigens ausschließlich mit Ökostrom arbeiten, in Eigenregie. Die Errichtung dieser Anlagen an Aral-Tankstellen in Deutschland ist Teil der Strategie des Mutterkonzerns BP. Sie sieht vor, die Zahl ihrer weltweiten Ladepunkte von 7.000 im Jahr 2020 auf 100.000 im Jahr 2030 zu erhöhen.

Mit den Ultraschnellladesäulen ist der Aral-Konzern seiner Zeit weit voraus, denn bislang gibt es auf Deutschlands Straßen noch kaum E-Autos, die die bei Aral gebotene Ladeleistung von bis zu 350 Kilowatt aufnehmen können. Eine der Ausnahmen ist beispielsweise der Porsche Taycan, der mit bis zu 270 kW geladen werden kann.

Auch der Zahlvorgang geht deutlich schneller

Nach Einschätzung von Aral-Sprecherin Eva Kelm dürfte sich die Situation in den nächsten Jahren jedoch ändern, denn: „Fahrer eines E-Autos erwarten, dass sie für das Laden künftig nicht mehr Zeit benötigen, als bisher ein klassischer Tankvorgang dauert, also sechs bis zehn Minuten einschließlich der Wartezeit und dem Bezahlvorgang an der Kasse.“

Letzteres entfällt bei der Nutzung der smarten Aral-Anlagen, denn sie sind so ausgestattet, dass der Autofahrer direkt an der Säule zahlen kann. Entweder per Smartphone mit QR-Code, über den Online-Zahlungsdienstleister Paypal oder mithilfe von Kreditkartenterminals an den Ladesäulen. Das spart Zeit und Nerven.

Clemens von Frentz
Leiter aktiv-Redaktion Nord

Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.

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