Die Firma Arca unterstützt Mitarbeiter, die für ihr Engagement auch einen Teil ihrer Freizeit opfern

Tönisvorst. Den Pieper trägt André Ilsky stets in der Tasche seines Blaumanns, sicherheitshalber hat er noch einen an der Werkbank. „Wenn der Alarm losgeht, lasse ich alles liegen und renne los zur Wache“, sagt der Unterbrandmeister. Nach dem Motto: „Ich bin dann mal Leben retten.“

Beruflich ist der 35-Jährige Industriemechaniker bei Arca Regler im niederrheinischen Tönisvorst. Beim Maschinenbauer montiert er Ventile, etwa für Kraftwerke und Chemieanlagen. Von 170 Beschäftigten sind vier aktive Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr, zwei weitere sind aus Altersgründen nur noch Ehrenmitglieder. In der Eifel hat das Familienunternehmen ein weiteres Werk: Da sind 7 der 35 Mitarbeiter bei der Feuerwehr.

Rund 100 Mal musste der Feuerwehrmann allein im letzten Jahr los

An das Getrampel auf dem Flur, wenn die Pieper rufen, haben sich die Kollegen längst gewöhnt. Sie springen dann ein und sichern etwa die Einstellungen an der Maschine oder speichern die Daten auf dem Computer. Und fragen danach neugierig: „Was war denn heute los?“

Einiges war los. Mal ist bei einem Nachbarbetrieb Ammoniak ausgetreten, mal wird ein Pferd aus einer Jauchegrube gezogen, mal verwüstet ein Sturm den Ort. Rund 100 Mal musste Ilsky 2018 während der Arbeit und nach Feierabend ausrücken, oft auch nachts: „Das war ein Rekordjahr!“

Nicht so sehr, weil es wegen der Dürre öfter brannte: „Da waren die Leute wohl vorsichtig. Aber wir mussten mehr Tiere retten, mehr hilflose Personen hinter verschlossenen Türen befreien oder extrem übergewichtige Patienten aus der Wohnung tragen.“

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In 288 NRW-Kommunen gibt es nur freiwillige Feuerwehren

Feuerwehr ist hierzulande zu 85 Prozent Ehrenamt. In 288 Kommunen Nordrhein- Westfalens gibt es laut Landesverband der Feuerwehren nur Freiwillige, vor allem auf dem Land. Nachwuchs zu finden, ist nicht einfach - die Familie und erst recht der Arbeitgeber müssen dahinterstehen.

Arca stellt die Freiwilligen für den Notfall bezahlt von der Arbeit frei. Und wenn der nächtliche Einsatz lange gedauert hat, darf man am nächsten Morgen ausschlafen. „Alles eine Frage der Arbeitsorganisation, auch wenn sich manche Tätigkeiten nicht so einfach unterbrechen lassen“, sagt Personalchef Burkhard Wiemers. Er betont: „Wir wollen mit dem Engagement auch ein Zeichen setzen, dass wir im Ort verwurzelt sind.“

60 Stunden im Jahr ist der Arca-Mitarbeiter auf Lehrgängen

Wiemers würde, bei gleicher Qualifikation, die Freiwilligen bevorzugt einstellen. Bei Arca hat es zwar vor gut 30 Jahren zuletzt gebrannt, als Verpackungsmaterial Feuer fing. Aber die Männer sorgen eben dafür, dass sich so etwas nicht wiederholt. Sie veranstalten Schutzübungen für die Kollegen, sehen, was man sonst übersieht: Hier fehlt ein Feuerlöscher, dort ist eine Tür verkeilt. Zudem leisten sie Erste Hilfe.

Für das Ehrenamt opfert Ilsky auch einen Teil seiner Freizeit. Er ist 60 Stunden im Jahr auf Lehrgängen, dazu kommen Übungen alle zwei Wochen.

Der 35-Jährige ist der Erste in seiner Familie, der sich bei der Feuerwehr engagiert. Anders sein Kollege aus der Dreherei, Heinz Gentges: Vater und Onkel, Bruder und Cousin, alle sind dabei – er selbst seit 21 Jahren und noch immer begeistert.

Obwohl die Einsätze auch seelisch belastend sein können: etwa wenn Kinder zu Tode kommen. „Früher hieß es, Feuerwehrleute sind eisenhart, aber so sind doch nicht alle. Heute gibt es die Möglichkeit, mit Notfall-Seelsorgern zu sprechen“, sagt Gentges. „Die Jungen, die frisch von der Jugendfeuerwehr kommen, dürfen deshalb nicht ganz nach vorne ins Geschehen. Wir führen sie langsam heran.“

Tipps für Engagierte

  • Wer sich freiwillig engagiert und dafür eine Aufwandsentschädigung bekommt, darf bis zu 720 Euro im Jahr frei von Steuern und Sozialabgaben annehmen („Ehrenamtspauschale“). Noch höher ist der Freibetrag für Übungsleiterpauschalen etwa bei ehrenamtlichen Ausbildern, Dozenten und Betreuern – sie dürfen 2.400 Euro im Jahr steuerfrei dazuverdienen.
  • Man kann sogar beide Freibeträge gleichzeitig geltend machen – wenn man zwei verschiedene Ämter ausübt, etwa als Gerätewart (Ehrenamtspauschale) und als Trainer (Übungsleiterpauschale).
  • Außerdem kann man auch Aufwendungen, die durch freiwilliges Engagement entstehen, als Werbungskosten oder Betriebsausgaben von der Steuer absetzen, etwa Fahrten zum Einsatzort oder Materialien, die man für sein Ehrenamt benötigt.
  • Mit dem „Landesnachweis Nordrhein-Westfalen – Engagiert im sozialen Ehrenamt“ kann man seine Tätigkeiten dokumentieren lassen. Das Zertifikat kann nützlich sein, wenn man sich beruflich neu orientiert. Denn Ehrenämter werden bei Bewerbungen oft als Pluspunkt bewertet.
  • Kann man als Ehrenamtler haftbar gemacht werden? Diese und viele andere rechtliche Aspekte beantwortet ein nützliches Handbuch, das die Verbraucherzentralen 2018 herausgegeben haben: „Vereinsrecht und Ehrenamt“.
Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

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