Hannover. Das Corona-Jahr 2020/21 ist ein verlorenes Jahr für die schulische Bildung in Niedersachsen. Da sind sich Bildungsexperten einig. Und auch die Wirtschaft kommt zu diesem Schluss. Das zeigt jetzt eine branchenübergreifende Umfrage der Arbeitgeberverbände Hannover und der Stiftung NiedersachsenMetall bei rund 300 Unternehmen, darunter Metall- und Elektrofirmen sowie Kautschuk-Betriebe.

Sie untersuchte, wie sich Homeschooling und Wechselmodell auf die Qualifikationen der Bewerber für Ausbildungsplätze ausgewirkt haben. „Das Ergebnis zeigt deutlich, dass fachliche Ausbildung und Persönlichkeitsentwicklung sehr unter dem Lernen auf Distanz leiden“, sagt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands NiedersachsenMetall und des Kautschuk-Arbeitgeberverbands ADK. Olaf Brandes, Chef der Stiftung NiedersachsenMetall, berichtet: „Distanzunterricht führt zu Lernrückständen. Vieles kann über Homeschooling nicht vermittelt werden.“

Versäumte Schulwochen können Einkommensperspektiven verschlechtern

Die Folgen: dauerhafte Lücken in der Bildung bei den jungen Leuten. Das werde deutliche Auswirkungen auf ihr Erwerbsleben haben, von der Auswahl des Berufs bis zu späteren Einkommensperspektiven. „Studien zufolge können schon 13 versäumte Schulwochen und die dadurch nicht erlernten Kompetenzen zur Folge haben, dass sich Einkommensperspektiven später nachhaltig verschlechtern“, berichtet Schmidt. „Das Gravierende dabei: Diese Einbußen sind dauerhaft.“ Hinzu kommt: In mittleren und höheren Schichten können Eltern leichter die nötige technische Ausstattung ihrer Kinder bereitstellen und sie beim Lernen unterstützen. Schmidt: „Kinder aus sozial schwächeren Familien drohen zu den großen Verlierern des Homeschoolings zu werden.“

Unterricht an Samstagen oder in den Ferien darf kein Tabu sein

Der Verbandschef fordert nun „ein vernünftiges Nachholprogramm für Niedersachsen“. Alle jungen Leute müssten die Chance bekommen, das Versäumte aufzuholen. Förderangebote ausweiten, Unterricht an Samstagen oder in den Ferien – Tabus dürfe es nicht geben. Zudem müsse man Schüler gezielter und individueller unterstützen, etwa durch Lernen in kleinen Gruppen.

Besondere Hilfe beim Aufholen des fehlenden Stoffs benötigten junge Leute, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben. Dafür müsse zusätzlich Personal angeworben werden. Schmidt: „Das wäre eine lohnenswerte Aufgabe für Lehramtsstudierende oder pensionierte Lehrerinnen und Lehrer.“

Die Umfrage

Kritisieren Homeschooling: Arbeitgeberchef Dr. Volker Schmidt (Mitte) und Olaf Brandes (links) von der Stiftung NiedersachsenMetall.
  • Weniger Bewerber zählt ein Viertel der Betriebe. Vor Ostern war noch ein Drittel der Lehrstellen frei.
  • Bewerber waren bei einem Fünftel der Betriebe schlechter vorbereitet aufs Auswahlgespräch als früher und zeigten oft Lerndefizite.
  • Lerndefizite ausgleichen wollen 70 Prozent der befragten Firmen.
Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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